Alinde Quartett

von Andreas Hitscher 27. Februar 2025

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Inhalt

Alinde Quartett


Eugenia Ottaviano  Violine
Guglielmo Dandolo Marchesi  Violine
Gregor Hrabar   Viola
Bartolomeo Dandolo Marchesi  Violoncello

Franz Schubert (1797 – 1828)
Streichquartett B-Dur D 36
Allegro
Andante
Menuetto. Allegro ma non troppo
Allegretto

 

SJ Hanke (*1984)
„Fever Sketches“ (Hommage to Schubert)
 

Pause
 

Marc Migò (*1993)
Streichquartett Nr. 2 („Sardana-Quodlibet“)
 

Franz Schubert
Streichquartett d-Moll D 810 („Der Tod und das Mädchen“)
Allegro
Andante con moto
Scherzo. Allegro molto
Presto

Leicht und flüssig

Die Atmosphäre des Wiener Stadtkonviktes, an die Schubert 1808 aufgenommen wurde, mag bedrückend gewesen sein, die Musikausbildung jedoch hatte gediegene Qualität, selbst ein Orchester war vorhanden. Schubert erhielt Unterricht auf dem Klavier und der Bratsche (die er zudem im familiären Streichquartett spielte), ab 1812 dann auch Kompositionsstunden bei Antonio Salieri. „Er ließ die trockenen Schulbücher zum großen Missfallen seines Zimmerpräfekten oft ziemlich lange ruhen ...“, erinnerte sich ein Mitschüler, „ganz ruhig und wenig beirrt durch das im Konvikte unvermeidliche Geplauder und Gepolter seiner Kameraden um ihn her, saß er am Schreibtischchen vor dem Notenblatte ..., biss in die Feder ... und schrieb leicht und flüssig ...“ An vermutlich viel mehr Quartetten als den uns heute bekannten D 18 und D 32 hatte er sich bereits ausprobiert, als er – um seinen sechzehnten Geburtstag herum – zwischen November 1812 und Februar 1813 das B-Dur-Werk D 36 komponierte. Die Vorbilder Haydn und – besonders im langsamen Satz – Mozart kann man natürlich hören; vielleicht auch Salieri in „gelehrter“ Kontrapunktik. Doch gerade vor diesem Hintergrund fallen die besonderen, die persönlichen, auch dramatischen Momente umso mehr auf: der überraschende, kurze Tremolo-Effekt im Andante etwa.

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Schlafes Bruder

Ein kurzes Leben: Nur elf Jahre trennen Schuberts frühes B-Dur-Quartett vom späten d-Moll-Quartett „Der Tod und das Mädchen“, dessen langsamer Variationssatz ein eigenes Lied auf Verse von Matthias Claudius aufgreift: „Das Mädchen: Vorüber! Ach vorüber!/ Geh wilder Knochenmann!/ Ich bin noch jung, geh Lieber!/ Und rühre mich nicht an./ Der Tod: Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!/ Bin Freund und komme nicht zu strafen,/ Sei guten Muts! Ich bin nicht wild,/ sollst sanft in meinen Armen schlafen.“ Ganz gewiss war diese Wahl nicht zufällig – in jenem März 1824, als er das Quartett komponierte, ließ er, sich seiner unheilbaren Syphilis-Erkrankung bewusst, einen Freund wissen: „… Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt … Jede Nacht wenn ich schlafen geh, hoff ich nicht mehr zu erwachen …“ Diesem autobiographischen Dokument entspricht in der Musik der erlösende Charakter des Andante, in dem der Tod sich als Tröster sanft in allen Variationen wiegt und seinen Mantel über zwischenzeitliche Unruhe breitet. Die anderen Sätze aber erzählen von der Angst des Mädchens: Aufschrei und melodisches Zurücksinken; expressive Zerrissenheit und aussichtslose Fluchtversuche. Auch weitere Liedverweise lassen sich finden: Im ersten Satz gibt es eine Wendung, der in Schuberts Oper „Fierabras“ die Zeile „Mich fassen die bleichen Gestalten der Nacht“ zugehört; im Finale erinnert eine Melodie an „Du liebes Kind, komm geh mit mir“ aus seinem „Erlkönig“.

Die Uraufführung des Werkes, 1826 in kleinem Kreis, fand durchaus nicht ungeteilten Beifall; veröffentlicht wurde es erst 1831.

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Suchen und Finden

Zitate aus Werken Schuberts, die Inspiration durch sein Schaffen sind auch für die Kompositionen von S J Hanke und Marc Migò konstitutiv. Bei Hanke ist es vor allem das Schubert-Lied, das das heute musizierende Ensemble im Namen führt. „Das Fieberhafte und das Schaffende sind sich ausgesprochen ähnlich“, sagt er über seine „Fever sketches“ von 2022. „Das Schreiben ist ein ewiger Kreislauf: suchen, finden, verwerfen, suchen, finden … – oder ist es nur das Echo der eigenen Stimme, wie im Gedicht ‚Alinde‘ von Johann Rochlitz, das Schubert so berückend schön vertont hat? Steht da wirklich die Herbeigesehnte und spricht die tröstlichen Worte: ,Du suchtest so treu, nun finde?‘ Oder ist es nur ein kurzes Innehalten auf dem endlosen Weg zwischen Euphorie und Depression? Schnitter, Fischer und Jäger begegnen einem unterwegs zwar nicht so häufig wie das zu Rochlitz‘ und Schuberts Zeiten der Fall gewesen sein dürfte – das fiebrige Taumeln von Skizze zu Skizze, von Blatt zu Blatt, von Stück zu Stück hat sich aber nicht verändert.“ 

S(tefan) J(ohannes) Hanke wurde in Regensburg geboren, studierte in Würzburg und Düsseldorf und war Stipendiat der Cité des Arts in Paris sowie der Villa Massimo in Rom. Ein Schwerpunkt seiner kompositorischen Arbeit liegt beim Musiktheater. 

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Überraschende Dialoge

Marc Migòs zweites Streichquartett führt gleich zwei Musik-Termini im Namen: „Sardana“ ist ein traditioneller katalanischer Tanz, „Quodlibet“ steht für die Kombination unterschiedlichster Melodien. Neben Volksmusik benennt der aus Barcelona stammende, an der Escola Superior de Música de Catalunya und der New Yorker Juilliard School ausgebildete Komponist als Material konkret Zitate unter anderem aus Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ und „Erlkönig“, aus Beethovens siebenter Sinfonie, von Bach und Bernstein: „Die Idee hinter der Arbeit ist es, eine musikalische Collage verschiedener musikalischer Ideen und Einflüsse zu schaffen und gleichzeitig eine einheitliche Struktur auf der Grundlage der oben genannten Tänze aus meinem Heimatland beizubehalten. Darüber hinaus interessiere ich mich für den Dialog zwischen ansonsten nicht zusammenhängenden Werken und dafür, wie ihre Bedeutung neu definiert wird, wenn ich sie zusammenbringe. Die Fülle an Schubert-Musik in dem Stück ist auch eine Hommage an den Namen und die Mission des Auftraggebers und Widmungsträgers des Werks, an das Alinde Quartett …“

Alinde Quartett

Alinde Quartett

Das Repertoire des nach Schuberts bekanntem Lied benannten Ensembles reicht – sowohl auf historischen wie modernen Instrumenten gespielt – von der Renaissance über Klassik und Romantik bis zu Auftragskompositionen. Diese künstlerische Vielfalt hat es auf bedeutende Bühnen der Welt und zu bekannten Festivals geführt. Ausgezeichnet wurde es unter anderem beim ICM Città di Pinerolo e Torino sowie beim Concorso Internazionale Salieri-Zinetti. Studieren durften die vier Musiker bei Günter Pichler (Alban Berg Quartett) an der „Escuela Superior de Musica Reina Sofia“ Madrid, bei Eberhard Feltz an der Musikhochschule Hanns Eisler Berlin und bei Rainer Schmidt (Hagen Quartett) in Basel. Wichtige Inspirationen erhielten sich auch durch Sir András Schiff, Ferenc Rados, Ida Bieler, András Keller, Tabea Zimmermann, Alessandro Moccia, Erich Höbarth, Natalia Prischepenko, Christoph Richter und Richard Gwilt. In der letzten Saison übernahm das Quartett eine Residenz als Porträtkünstler an der Kölner Philharmonie. Mit interaktiven

Formaten wie Mitmach-Konzerten, offenen Proben und Schulprojekten, Workshops und Familienkonzerten lädt es auch besonders ein junges Publikum ein, die faszinierende Welt der Kammermusik zu entdecken.

Seit 2008 ist das Alinde Quartett in das Projekt „#Schubert200“ in Zusammenarbeit mit Hänssler Classic und dem Deutschlandfunk eingebunden. Ziel ist es, bis 2028 alle Streichquartette von Schubert in Kombination mit eigens in Auftrag gegebenen Werken zu präsentieren. Neben drei CDs dieser Folge hat das Quartett auch eine Bearbeitung von Schuberts „Die schöne Müllerin“ (mit dem Tenor Daniel Johannsen) sowie Werke von Mendelssohn und Purcell eingespielt.

Hörbeispiel

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