14.00 Uhr
Espresso-Konzert mit dem Konzerthausorchester Berlin
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
IVÁN FISCHER Dirigent
LAWRENCE POWER Viola
SARAH MARIA SUN Sopran
Hanns Eisler (1898 – 1962)
Suite Nr. 2 op. 24 „Niemandsland“
1. Vorspiel. Moderato
2. Capriccio über jüdische Volkslieder
3. Andante
4. Marschtempo
Erwin Schulhoff (1894 – 1942)
Suite für Kammerorchester
1. Ragtime. Moderato
2. Valse Boston. Tempo (rubato) di Valse
3. Tango
4. Shimmy. Moderato
5. Step. Allegretto
6. Jazz. Allegro con fuoco
Paul Hindemith (1895 – 1963)
„Der Schwanendreher“ – Konzert nach alten Volksliedern für Bratsche und kleines Orchester
1. „Zwischen Berg und tiefem Tal“. Langsam – Mäßig bewegt, mit Kraft
2. „Nun laube, Lindlein, laube“. Sehr ruhig – „Der Gutzgauch auf dem Baume saß“. Fugato – Wie am Anfang
3. Variationen „Seid ihr nicht der Schwanendreher“. Mäßig schnell – Ruhig bewegt – Zeitmaß wie früher
Pause
Kurt Weill (1900 – 1950)
„It never was you“ aus „Knickerbocker Holiday“
„Suite Panaméenne“
1. Introduction & Tango
„Lied des Lotterieagenten“ aus „Der Silbersee“
„Suite Panaméenne“
2. Marche de l’armée Panaméenne
„Bilbao-Song“ aus „Happy End“
„Suite Panaméenne“
3. Tango-Habanera
„Seeräuber-Jenny“ aus „Die Dreigroschenoper“
„Suite Panaméenne“
4. Scene au Dancing
Die Werke von Hanns Eisler, Erwin Schulhoff, Paul Hindemith und Kurt Weill erzählen viele Geschichten: Sie künden von den Aufbrüchen der 1920er Jahre, von der Politisierung der Kunst, von der Reaktion auf politische Restriktion und vom Versuch, als Künstler im Exil eine neue Basis für das eigene Schaffen zu finden. Sie spiegeln die Herausforderungen, mit denen die Generation der um 1900 geborenen Künstler konfrontiert war, für die Gertrude Stein den Begriff „Verlorene Generation“ geprägt hat. Deren Jugend war von der Menschheitskatastrophe des Ersten Weltkriegs überschattet. In den 1920er Jahren mussten sie ihren Weg unter radikal gewandelten Bedingungen im Schatten von Giganten wie Schönberg und Strawinsky finden. Mit der Wende zu den 1930er Jahren verfinsterten sich die Zeiten erneut und gerieten weite Teile Europas in den Würgegriff von Diktaturen unterschiedlicher Couleur. Nun waren sie mit kulturpolitischen Restriktionen, mit politisch und rassistisch begründeter Verfolgung konfrontiert und zu Flucht und Emigration gezwungen – wenn diese überhaupt noch möglich waren: Erwin Schulhoff etwa starb 1942 in einem Internierungslager in Bayern. Sofern die Angehörigen dieser Komponistengeneration die Verheerungen des Zweiten Weltkrieges überstanden hatten, mussten sie – wie beispielsweise Hindemith – westlich des Eisernen Vorhangs konstatieren, dass eine junge Generation die Diskurse beherrschte, für die sie zum alten Eisen zählten. Eisler hingegen, der sich in der DDR niedergelassen hatte, musste zunehmend desillusioniert erleben, wie seine Hoffnungen auf ein besseres Deutschland von einer stalinistischen Diktatur erstickt wurden.
Eislers Suite aus „Niemandsland"
Hanns Eisler war schon als junger Mensch politisch engagiert. Als 14-jähriger trat er der Organisation der sozialistischen Mittelschüler bei, musste als Soldat im ersten Weltkrieg aufgrund seiner Überzeugungen Schikanen über sich ergehen lassen und erfuhr die Not der Nachkriegsjahre am eigenen Leibe. Diese Erfahrungen dürften ihn ebenso geprägt haben wie der Unterricht bei Arnold Schönberg, der das Talent des jungen Mannes erkannt hatte und ihn zwischen 1919 und 1924 unentgeltlich unterrichtete. Mitte der zwanziger Jahre allerdings kam es zum Bruch zwischen Lehrer und Schüler. Anders als für Schönberg wurde für Eisler die Frage nach der sozialen Funktion der Musik bestimmend. Er wandte sich zunehmend vom bürgerlichen Musikbetrieb ab und entwickelte in den Jahren um 1930 sein Konzept einer „angewandten Musik“, die im politischen Kampf eine aufklärerische, agitatorische, aktivierende Funktion haben konnte und prägte den ihm eigenen Kampfmusik-Stil aus, der musikalische Intelligenz mit der Möglichkeit zu breitester Wirksamkeit verband. Von Anbeginn an hatte Eisler ein starkes Interesse am Film, insbesondere am damals gerade aufkommenden Tonfilm, mit dem ein breites Publikum erreicht werden konnte. Schon 1927 hatte er eine Musik zum abstrakten Stummfilm „Opus III“ von Walther Ruttmann komponiert, nun aber waren es Spielfilme, zu denen er Musik schrieb, und die wollten nicht unterhalten, sondern die Wirklichkeit jener Zeit kritisch spiegeln: In „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“ (1932) ging es um die sozialen Folgen der Weltwirtschaftskrise. Schon ein Jahr zuvor kam „Niemandsland“ in die Kinos, ein Antikriegsfilm, dessen Handlung im Ersten Weltkrieg angesiedelt ist.
Die vier Teile der Suite umfassen nahezu die gesamte Filmmusik. Das Vorspiel entspricht der Musik des Vorspanns. Das Capriccio über jüdische Volkslieder ist im Film einer Szene unterlegt, in der – noch zu Friedenszeiten – der jüdische Schneider Hochzeit feiert. Das Andante erklingt, wenn – nunmehr während des Krieges – die Familie des Schneiders erschöpft und verängstigt in einer Art Schutzraum gezeigt wird. Der letzte Satz entspricht einer Instrumentalfassung eines der populärsten Kampflieder Eislers: „Der heimliche Aufmarsch“ nach einem Text von Erich Weinert. Gerade dieser Satz repräsentiert den Kampfmusikstil Eislers par excellence. Im Film erklingt diese Musik zur letzten Szene, wenn die fünf Männer den Unterstand verlassen und einen Drahtverhau zerstören – Symbol für das Entfernen des Trennenden und die Hoffnung auf Versöhnung der Völker.
Schulhoffs Suite für Kammerorchester
Erwin Schulhoff, der einer in Prag beheimateten, deutsch-tschechischen jüdischen Familie entstammte und Anfang der 1920er Jahre zeitweise auch in Dresden, Saarbrücken und Berlin lebte, gehörte zu den ersten Komponisten, die nach dem Kriegsende auf den gerade nach Europa vordringenden Jazz kompositorisch reagierten, und zwar 1919 mit den „Fünf Pittoresken“ für Klavier. Die Begeisterung für diese damals neue Musikrichtung prägt auch einige Teile der zwei Jahre später entstandenen Suite für Kammerorchester. Radikal wird hier eine Epoche verabschiedet. Nichts mehr ist zu spüren vom rauschhaften Klang des spätromantischen Riesenorchesters und dem Pathos der mit weltanschaulichem Ballast beladenen monumentalen Tongemälde der Vorkriegszeit, ebenso wenig vom Ästhetizismus des Impressionismus. Stattdessen verschafft Schulhoff jenen Klängen Zutritt zu den Tempeln der hohen Kunst, die man ansonsten eher in Etablissements zu hören bekam, in denen das Tanzbein geschwungen wurde. Es sind die ganz aktuellen Modetänze der frühen zwanziger Jahre, die Schulhoff aufgriff, und es sind durchweg solche, die von den beiden amerikanischen Kontinenten nach Europa importiert wurden. Der Ragtime etwa war eine Vorform des Jazz, die sich im späten 19. Jahrhundert herausgebildet hatte. Seine typischen Rhythmen finden sich auch bei Schulhoff, der ihm ein überaus farbiges Klanggewand verpasst. Der Boston Waltz war eine amerikanische Variante des Wiener Walzers, die um 1913 nach Europa reimportiert wurde und sich um 1920 in England zum Langsamen Walzer entwickelte. Bei Schulhoff wird daraus eine geradezu schwerelose, ganz fein und zerbrechlich instrumentierte Preziose, in der Sentimentalität und ironische Brechung sich die Waage halten. Der Tango, der in Argentinien im ausgehenden 19. Jahrhundert entstand, wurde in Europa um 1910 heimisch. Erneut überrascht Schulhoff mit feinsten klanglichen Nuancen. Wie up to date er ist, beweist er mit dem Shimmy, denn dieser Tanz war erst um 1918 in Amerika entstanden. Wenn hier Sirene und Autohupe ertönen, wird der Alltag gleichsam Musik. Die perkussiven Elemente des Step Dance inspirierten den Komponisten zu einem nur den Schlaginstrumenten vorbehaltenen Satz, während der letzte Satz weniger auf den Jazz als Musikform verweist, sondern auf den gleichnamigen Tanz, der Anfang der zwanziger Jahre vom Shimmy verdrängt wurde.
Hindemiths „Schwanendreher"
Paul Hindemith war nicht nur ein sehr produktiver Komponist, sondern auch ein ausgezeichneter Bratscher (und beherrschte außerdem das Spiel auf nahezu allen Orchesterinstrumenten auf professionellem Niveau). Das Konzert „Der Schwanendreher“ komponierte er 1935 für seine Konzertauftritte als Bratscher außerhalb Deutschlands. In Deutschland war Hindemith schon kurz nach der Machtergreifung der Nazis als „Kulturbolschewist“ geächtet worden. Aufführungen seiner Musik und Auftrittsmöglichkeiten als Instrumentalist waren fortan stark eingeschränkt.
Als „Konzert nach alten Volksliedern“ bezeichnete Hindemith das Werk im Untertitel und stellte der Partitur einen kurzen Text voran: „Ein Spielmann kommt in frohe Gesellschaft und breitet aus, was er aus der Ferne mitgebracht hat. Ernste und heitere Lieder, zum Schluss ein Tanzstück. Nach Einfall und Vermögen erweitert und verziert er als rechter Musikant die Weisen, präludiert und phantasiert. Dieses mittelalterliche Bild war die Vorlage für die Komposition.“ Die meisten Lieder, auf die Hindemith zurückgriff, umkreisen in ihrer Thematik Abschied, Schmerz und Trennung. Alle wurden im 16. Jahrhundert erstmals notiert. Der „Gutzgauch“ (= Kuckuck), auf den der zweite Satz anspielt, gilt in der alten Volkspoesie als der Gebrandmarkte, Ausgestoßene, Verhöhnte, Gesteinigte. Man kann in dieser Auswahl – wie auch im Bild des Spielmanns, der ja auch in aller Regel ein heimatlos Umherziehender ist – Anspielungen auf Hindemiths eigene Situation Mitte der dreißiger Jahre sehen. Die Orchesterbesetzung ist ungewöhnlich: Zu Bläsern, Harfe und Schlagzeug gesellen sich nur Celli und Bässe. Die hohen Streicher sind ausgespart. Das sorgt für einen dunklen und recht hart konturierten Klang.
Das dem ersten Satz zugrunde liegende Lied „Zwischen Berg und tiefem Tal“ ist nicht zu verwechseln mit dem weithin bekannten „Zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal“, sondern ist ein Abschiedslied aus dem 16. Jahrhundert. Dessen kunstvolle Melodie im dorischen Modus erklingt erstmals nach den präludierenden Takten der Solo-Bratsche, vorgetragen wie ein Cantus firmus von Hörnern und Posaune. Der rasche Hauptsatz folgt der Sonatensatzform und exponiert zwei Themen, die im weiteren Verlauf entwickelt und gelegentlich mit der Liedmelodie kombiniert werden. Der zweite Satz wird von einer nur von der Harfe begleiteten, an ein Siciliano erinnernden Weise des Solo-Instruments eröffnet, das sodann die von den Bläsern in Choralmanier vorgetragenen Strophen des Liedes „Nun laube, Lindlein, laube“ höchst expressiv kommentiert. Das Lied vom Guzgauch wird in den zentralen Partien zum Gegenstand eines polternden Fugatos. Wenn der Choral wiederkehrt, übernimmt das Soloinstrument ein einziges Mal Teile seiner Melodie. Der zu unterlegende Text lautet beziehungsvoll „nicht länger ich’s ertrag“ bzw. „hab‘ gar ein‘ traurig‘ Tag“.
Dem Finale liegt jenes Lied zugrunde, das dem Konzert den Titel gab und wird hier zum Gegenstand ausgiebiger variativer und kontrapunktischer Arbeit.
Die Suite Panaméenne und einige Songs aus mehreren Bühnenwerken sind zu einem Kurt-Weill-Potpourri verschränkt, das ein Jahrzehnt im Schaffen des Komponisten umspannt: die Jahre von 1928 bis 1938. Die sensationelle Premiere der „Dreigroschenoper“ markiert den Beginn dieses Jahrzehnts und machte Weill und Brecht weithin berühmt. Weill prägte in jenen Jahren den für die gemeinsam mit Brecht geschaffenen Werke so typischen Songstil aus. Der Philosoph Ernst Bloch hat 1929 mit Blick auf das Lied von der „Seeräuber-Jenny“ auf den Punkt gebracht, was diesen Stil Weills ausmacht: „Blümchen wachsen aus dem faulsten Operettenzauber, aus Kitzelchansons um 1900, aus der Herrlichkeit amerikanischer Jazzfabrikate, mit der Hand nachgemacht, vorgemacht. Ein neuer Volksmond bricht durch die Schmachtfetzen am Dienstmädchen- und Ansichtskartenhimmel. In diesem Schmalz hielt sich eine unsägliche Theologie; wie lehrreich, sie in Aspik zu setzen.“
Mit dem ein Jahr nach der „Dreigroschenoper“ herausgekommenen „Happy End“ versuchte das Team um Brecht und Weill, an deren Erfolg anzuknüpfen. Freilich erwies sich diese Gangster- und Heilsarmeegeschichte auf der Bühne als kaum lebensfähig. Allerdings gehören die Songs zu den stärksten Schöpfungen von Brecht und Weill, darunter auch der „Bilbao-Song“.
Gemeinsam mit dem Schriftsteller Georg Kaiser schuf Weill 1932 das Drama mit Musik „Der Silbersee“, in dem metaphorisch die Zustände im Deutschland kurz vor der Machtergreifung der Nazis gespiegelt werden. In der Geschichte spielt ein Lottogewinn eine wichtige Rolle, und der Lotterieagent beschreibt in seinem Lied, dass nur der Skrupellose der „belebenden Wirkung des Geldes“ teilhaftig wird, um Brecht zu paraphrasieren. Zwar kam „Der Silbersee“ kurz nach der Machtergreifung der Nazis noch zur erfolgreichen Ringuraufführung, doch erzwangen die neuen Machthaber kaum zwei Wochen später die Absetzung des Werkes. Weill begriff schnell, dass er als Jude in Deutschland in Gefahr war und beschloss, das Land zu verlassen. Am 23. März 1933 traf er in Paris ein, der ersten Station seines Exils. Zu den hier komponierten Werken zählt auch „Marie Galante“, ein Schauspiel mit Musik nach dem gleichnamigen Erfolgsroman von Jacques Deval, der den Roman auf Bitten Weills für die Bühne bearbeitet hatte. Das Werk fiel freilich durch und wurde anschließend gründlich vergessen. Erst als in den 1980er Jahren das Autograph der Orchesterfassung des Tango-Habanera aufgefunden wurde (der 1935 von Weills Verlag zum populären Song „Youkali“ umgearbeitet worden war) und zudem der Klavierauszug und drei Instrumentalstimmen zu „Introduction & Tango“ auftauchten, war das Anlass, diese beiden Sätze sowie zwei weitere Instrumentalsätze aus der Musik zu „Marie Galante“ zur „Suite Panaméenne“ zusammenzustellen. Marie Galante ist die Hauptfigur des Stücks, in dem Panama ein wichtiger Schauplatz ist – daher der Name der Suite. Musikalisch wirkt das Werk einerseits wie ein Nachhall der Erfolgsstücke aus den zwanziger Jahren. Klanglich kündigt sich – etwa in der farbigen und größeren Orchesterbesetzung – ein Übergang an, den Weill dann in den kommenden Jahren vollziehen sollte. 1935 übersiedelte er in die USA und versuchte, in der dortigen Kulturszene Fuß zu fassen. Er schrieb Musik für das Theater und für den Film. 1938 landete er mit „Knickerbocker Holiday“ einen ersten großen Musical-Erfolg am Broadway. „It never was you“ wird von der jugendlichen Hauptfigur Brom gesungen und kündet von Sehnsucht und unerfüllter Liebe. Musikalisch nähert sich Weill dem am Broadway geforderten eingängigen, auf unmittelbare emotionale Wirkung zielenden Stil an, ohne seine individuelle Tonsprache ganz aufzugeben.
It never was you
Maxwell Anderson
II've been running through woods,
II've been fishing over water,
For one certain girl
Who’s a certain father’s daughter,
I've been following trails,
I've been staring after ships,
For a certain pair of eyes
And a certain pair of lips
Yes, I looked everywhere,
You can look without wings
And I found a great variety
Of interesting things
But it never was you,
It never was anywhere you!
An occasional sunset reminded me,
Or a flower growing high on a tulip tree,
Or one red star hung low in the West,
Or a heartbreak call from a mеadowlark's nest
Made me think for a momеnt:
„Maybe it's true I’ve found her in the star,
In the call, in the blue"
But it never was you,
It never was anywhere you,
Anywhere, anywhere you.
Ich bin durch Wälder gelaufen,
Ich bin über Wasser gejagt
Für ein bestimmtes Mädchen,
Das die Tochter eines gewissen Vaters ist,
Ich bin Pfaden gefolgt,
Ich habe nach Schiffen Ausschau gehalten
Für ein bestimmtes Paar Augen
Und ein bestimmtes Paar Lippen
Ja, ich habe überall gesucht,
Man kann ohne Flügel suchen
Und ich fand eine große Vielfalt
Von interessanten Dingen,
Aber du warst es nie,
Nie warst du irgendwo.
Ein einfacher Sonnenuntergang erinnerte mich,
Oder eine Blüte, die hoch auf einem Tulpenbaum wächst,
Oder ein roter Stern tief im Westen,
Oder ein herzzerreißender Ruf aus einem Lerchennest
Ließ mich einen Moment lang denken:
„Vielleicht ist es wahr: Ich fand dich in dem Stern,
In dem Ruf, in dem Blau“
Aber du warst es nie
Nie warst du irgendwo
Irgendwo, irgendwo du.
Lied des Lotterieagenten
Georg Kaiser
Was zahlen sie für einen Rat,
wie man sein Geld anlegt mit Nutzen?
Hast du Geld, lass es nicht bei dir im Sack.
Geh' zu den Menschen und säe es aus.
Das ist ein Acker, der düngt sich mit Blut,
da wächst etwas, da kommt etwas heraus.
Das produziert die Krone des Gewinns:
Zins und Zinseszins.
Zuerst kommt das und dann kommt nichts danach.
Für dich schließt sich des Lebens Bilderbuch.
Du schlägst nur pünktlich den Kalender auf
und liest Termine und du liest genug.
Das kalkuliert die Krone des Gewinns:
Zins und Zinseszins.
Trägst du ein Herz von Fleisch, erhärte es zu Stein
und wund‘re dich nicht, wenn es nicht gleich gelingt.
Sei einmal hart vor einer großen Not,
bald siehst du zu, wenn wer ins Wasser springt;
das garantiert die Krone des Gewinns:
Zins und Zinseszins.
Bau' einen Turm von Quadern um dich,
du hörst nicht, wie sie draußen kläglich schrein.
Sei blind, sei taub, erlass keine Schuld,
du büßt ja Geld und Geldes Nutzen ein.
Verleugne nie die Krone des Gewinns:
Zins und Zinseszins.
Darum lerne, wie man‘s macht,
dass einem Zinseszins und Zinsesfreude lacht.
Bilbao-Song
Bertolt Brecht
Bills Ballhaus in Bilbao
war das schönste auf dem ganzen Kontinent.
Dort gab's für einen Dollar Krach und Wonne,
und was die Welt ihr Eigen nennt.
Aber wenn Sie da hereingekommen wären,
ich weiß nicht, ob Ihnen so was grad gefällt.
Ach! Brandylachen waren, wo man saß,
auf dem Tanzboden wuchs das Gras
und der rote Mond schien durch das Dach,
'ne Musik gab's da,
da wurde was geboten für sein Geld!
Joe, mach die Musik von damals nach!
Alter Bilbaomond!
Wo noch die Liebe lohnt...
's ist toll mit'm Text!
Lang, lang ist's her!
Ich weiß ja nicht, ob Ihnen so was grad gefällt, doch:
es war das Schönste auf der Welt.
Bills Ballhaus in Bilbao
an 'nem Tag gen Ende Mai im Jahre Acht,
da kamen vier aus Frisko mit 'nem Geldsack,
die haben damals mit uns was gemacht.
Aber wenn Sie da dabei gewesen wären,
ich weiß nicht, ob Ihnen so was grad gefällt.
Ach! Brandylachen waren, wo man saß,
auf dem Tanzboden wuchs das Gras
und der rote Mond schien durch das Dach,
und vier Herren konnten Sie mit ihren Brownings schießen hör'n.
Sind Sie 'n Held?
Na, dann machen Sie's mal nach!
Alter Bilbaomond!
Wo noch die Liebe lohnt...
Ich kann den Text nicht mehr…
's ist schon lange her…
Ich weiß ja nicht, ob Ihnen so was grad gefällt, doch:
es war das Schönste auf der Welt.
Bills Ballhaus in Bilbao,
heute ist es renoviert so auf dezent,
mit Palme und mit Eiscreme ganz gewöhnlich…
wie ein anderes Etablissement.
Aber wenn Sie jetzt hereingesegelt kämen,
's ist ja möglich, daß es Ihnen so gefällt.
Nur mir macht so was leider keinen Spaß!
Auf dem Tanzboden wächst kein Gras
Und der Brandy ist auch nicht mehr das,
und der rote Mond ist abbestellt.
'ne Musik machen sie,
da kann man sich nur schämen für sein Geld!
Geh Joe, mach die Musik von damals nach.
Alter Bilbaomond,
das hab' ich oft betont,
ich hab sie nie geschont,
Na, das ist ja der Text...
Verzeihung, 's ist zu lange her...
Alter Bilbaomond...
Ich weiß ja nicht, ob Ihnen so was grad gefällt, doch:
es war das Schönste
auf der Welt.
Es ist zu lange her...
Seeräuber-Jenny
Bertolt Brecht
Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen
Und ich mache das Bett für jeden.
Und Sie geben mir einen Penny und ich bedanke mich schnell
Und Sie sehen meine Lumpen und dies lumpige Hotel
Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.
Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen
Und man fragt: „Was ist das für ein Geschrei?“
Und man wird mich lächeln sehn bei meinen Gläsern
Und man sagt: „Was lächelt die dabei?“
Und ein Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird liegen am Kai.
Man sagt: „Geh, wisch deine Gläser, mein Kind“
Und man reicht mir den Penny hin.
Und der Penny wird genommen, und das Bett wird gemacht!
(Es wird keiner mehr drin wohnen in dieser Nacht.)
Und sie wissen immer noch nicht, wer ich bin.
Aber eines Abends wird ein Getös‘ sein am Hafen
Und man fragt: „Was ist das für ein Getös‘?“
Und man wird mich stehen sehn bei meinem Fenster
Und man sagt: „Was lächelt die so bös?“
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird beschießen die Stadt.
Meine Herren, da wird ihr Lachen aufhören
Denn die Mauern werden fallen hin
Und die Stadt wird gemacht dem Erdboden gleich.
Nur ein lumpiges Hotel wird verschont von dem Streich
Und man fragt: „Wer wohnt Besonderer darin?“
Und in dieser Nacht wird ein Geschrei um das Hotel sein
Und man fragt: „Warum wird das Hotel verschont?“
Und man wird mich sehen treten aus der Tür am Morgen
Und man sagt: „Die hat darin gewohnt?“
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird beflaggen den Mast.
Und es werden kommen hundert gen Mittag an Land
Und werden in den Schatten treten
Und fangen einen jeglichen aus jeglicher Tür
Und legen ihn in Ketten und bringen vor mir
Und fragen: „Welchen sollen wir töten?“
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden sie mich sagen hören: „Alle!“
Und wenn dann der Kopf fällt, sag ich: „Hoppla!“
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird entschwinden mit mir.
Das Konzerthausorchester Berlin spielt seit der Saison 2023/24 unter Leitung von Chefdirigentin Joana Mallwitz. Sie folgt damit Christoph Eschenbach, der diese Position ab 2019 vier Spielzeiten innehatte. Als Ehrendirigent ist Iván Fischer, Chefdirigent von 2012 bis 2018, dem Orchester weiterhin sehr verbunden.
1952 als Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) gegründet, erfuhr das heutige Konzerthausorchester Berlin von 1960 bis 1977 unter Chefdirigent Kurt Sanderling seine entscheidende Profilierung und internationale Anerkennung. Seine eigene Spielstätte erhielt es 1984 mit Wiedereröffnung des restaurierten Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Zehn Jahre später wurde das BSO offizielles Hausorchester am nun umgetauften Konzerthaus Berlin und trägt seit 2006 dazu passend seinen heutigen Namen. Dort spielt es pro Saison mehr als 100 Konzerte. Außerdem ist es regelmäßig auf Tourneen und Festivals im In- und Ausland zu erleben. An der 2010 gegründeten Kurt-Sanderling-Akademie bilden die Musiker*innen hochbegabten Orchesternachwuchs aus.
Einem breiten Publikum auf höchstem Niveau gespielte Musik nah zu bringen, ist dem Konzerthausorchester wesentliches Anliegen. Dafür engagieren sich die Musiker*innen etwa bei „Mittendrin“, wobei das Publikum im Konzert direkt neben Orchestermitgliedern sitzt, als Mitwirkende in Clipserien im Web wie dem mehrfach preisgekrönten #klangberlins oder in den Streams „Spielzeit“ auf der Webplattform „twitch“. Die Verbundenheit mit Berlin zeigt sich im vielfältigen pädagogischen und sozialen Engagement des Orchesters mit diversen Partnern in der Stadt.
Iván Fischer ist als einer der visionärsten Musiker unserer Zeit bekannt. Er wirkt als Dirigent, Komponist, Opernregisseur, Denker, Vermittler – verankert in der Tradition der musikalischen Universalgelehrten. Sein Fokus ist stets die Musik, dafür entwickelte er zahlreiche neue Konzertformate und erneuerte die Struktur und die Arbeitsweise des klassischen Symphonieorchesters. Mit dem Budapest Festival Orchestra, das er Mitte der 80er Jahre gründete, hat er zahlreiche Reformen eingeführt und etabliert.
Weltweit wird Iván Fischer als einer der visionärsten und erfolgreichsten Orchesterleiter geschätzt. Von 2012 bis 2018 war er über sechs Spielzeiten hinweg Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin, das ihn zum Ehrendirigenten auf Lebenszeit ernannt hat. Als Gastdirigent konzertiert er mit den renommiertesten Sinfonieorchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Concertgebouworkest Amsterdam und dem New York Philharmonic. Fischer ist Gründer der Ungarischen Mahler-Gesellschaft und Schirmherr der Britischen Kodály Academy. 2020 wurde der Musiker zum Ehrengastdirigenten des Concertgebouworkest ernannt. Er ist Ehrenbürger von Budapest.
Der 1951 in Budapest geborene Fischer studierte Klavier, Violine und Violoncello in Budapest, ehe er in Wien die legendäre Dirigierklasse von Hans Swarowsky besuchte. Nach einer zweijährigen Assistenzzeit bei Nikolaus Harnoncourt startete er seine internationale Karriere mit dem Sieg beim Dirigentenwettbewerb der Rupert Foundation in London.
Seit 2004 ist Iván Fischer auch als Komponist tätig, er schreibt meist vokale Musik mit kleinen Instrumentalensembles. Seine Oper „Die rote Färse“ hat in der ganzen Welt für Schlagzeilen gesorgt; die Kinderoper „Der Grüffelo“ erlebte in Berlin mehrere Wiederaufnahmen. Sein meist aufgeführtes Werk „Eine Deutsch-Jiddische Kantate“ wurde in zahlreichen Ländern aufgeführt und aufgenommen.
Sarah Maria Sun zählt zu den außergewöhnlichsten und weltweit führenden Interpretinnen der zeitgenössischen Musik. Ihr Repertoire beinhaltet zurzeit über 2000 Kompositionen, darunter mehr als 400 Uraufführungen. Ihre enorme Wandelfähigkeit demonstriert sie auch regelmäßig auf der Musiktheaterbühne. So war sie an den Opernhäusern in Zürich, Basel, Frankfurt, München, Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig, Strasbourg, Luxembourg, Zagreb, der Opéra Bastille und Opéra Comique in Paris zu Gast. Im Sommer 2021 gab sie ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen in Luigi Nonos „Intolleranza 1960“ mit den Wiener Philharmonikern und Ingo Metzmacher (Regie: Jan Lauwers). Ihre eindringliche schauspielerische und musikalische Interpretation beweist sie immer wieder in der Darstellung komplexer Frauenfiguren. Von der Opernwelt wurde sie 2017 für die Rolle der Elsa in Sciarrinos Monodram „Lohengrin“ (Osterfestspiele Salzburg) sowie 2019 für die Partie der Gwen in Philip Venables „4.48 Psychose“ (Semperoper Dresden) als Sängerin des Jahres nominiert. Sie tritt als Solistin in Konzerthäusern wie der Suntory Hall Tokyo, dem Muziekgebow Amsterdam, der Tonhalle Zürich, der Philharmonie Luxembourg, dem Auditorio National Madrid, der Elbphilharmonie Hamburg und der Berliner und Kölner Philharmonie auf. Sie konzertierte mit Sir Simon Rattle, Kent Nagano, Thomas Hengelbrock, Susanna Mälkki, Heinz Holliger sowie unter anderem mit dem Gewandhausorchester Leipzig, Berliner Philharmonikern, den Sinfonieorchestern des NDR, BR, SWR und WDR, den Dresdner Philharmonikern, dem Antwerp- und Tokyo-Symphony Orchestra. Ihre Diskografie umfasst mehr als 40 CDs. Seit 2022 unterrichtet sie als Professorin an der Musikhochschule Basel.
Lawrence Power ist sowohl als Solist wie auch als Kammermusikpartner weltweit gefragt. Regelmäßig ist er bei international führenden Orchestern zu Gast, vom Chicago und Boston Symphony Orchestra über das Royal Concertgebouw Orchestra bis zum Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem NDR Elbphilharmonie Orchester und dem Chamber Orchestra of Europe. Als Kammermusiker arbeitet er unter anderem mit Vilde Frang, Ilya Gringolts, Nicolas Alstaedt, Alexandre Kantorow und Simon Crawford-Phillips zusammen. Darüber hinaus ist er Mitglied des Nash Ensembles.
Power hat durch sein leidenschaftliches Eintreten für Neue Musik das Repertoire für Viola um zahlreiche Werke zeitgenössischer Komponisten erweitert und unter anderem Werke von Magnus Lindberg, Cassandra Miller, Anders Hillborg, Thomas Adès, David Philip Hefti, James MacMillan, Esa-Pekka Salonen und Mark-Anthony Turnage uraufgeführt und zum Teil über seinen Viola Commissioning Circle selbst in Auftrag gegeben. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter des West Wycombe Chamber Music Festivals und der Produktionsfirma Âme für Filme, die die Gemeinsamkeiten zwischen Musik und anderen Kunstformen ausloten. Für seine herausragende Arbeit als Solokünstler wurde er 2020 mit dem Instrumentalist Award der Royal Philharmonic Society geehrt. Power lehrt als Professor an der Zürcher Hochschule der Künste und gibt weltweit Meisterkurse. Seit 2021 ist er für fünf Jahre Associate Artist der Londoner Wigmore Hall.
Lawrence Power spielt eine Bratsche der Brüder Amati von 1590 (ex Trampler), eine Leihgabe der Karolina Blaberg Stiftung.
Wir nutzen die Zeit mit Stefan Markowski in unseren außerordentlich langsamen Aufzug Süd, um unseren Stellvertretenden Konzertmeister der Zweiten Geigen nach Auf und Ab des Konzerthausorchesters während bewegter Jahrzehnte zu fragen. Seit 1981 ist er dabei, in diesem Monat spielt er sein letztes Konzert.