13.00 Uhr
Führung durch das Konzerthaus Berlin
Konzerthaus Kammerorchester
Suyoen Kim Leitung
Michaela Kuntz Oboe d'amore
Bohuslav Martinů (1890 – 1959)
Partita für Streichorchester
Poco Allegro
Moderato
Andante moderato
Poco Allegretto
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Konzert für Oboe d’amore, Streicher und Basso continuo A-Dur BWV 1055R
Allegro
Larghetto
Allegro ma non tanto
Pause
Josef Suk (1874 – 1935)
Meditation über den altböhmischen Choral „St. Wenzeslaus“ für Streichorchester op. 35
Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Serenade für Streichorchester E-Dur op. 22
Moderato
Tempo di Valse
Scherzo. Vivace
Larghetto
Finale. Allegro vivace
In Bezug auf Bach sind sich die nachfolgenden Komponist*innen-Generationen in ihrer Hochschätzung einig: „Studiert Bach, dort findet ihr alles", formulierte es zum Beispiel Brahms. So passt der universelle „Über-Lehrer“ der Musik auch gut in dieses Programm: Bohuslav Martinů studierte bei Josef Suk (der mit seiner Partita übrigens den Bogen zurückschlägt zu Meister Bach); Suk wiederum studierte bei Antonin Dvořák. Und nicht zuletzt bewies sich auch Martinů als Lehrer – zuerst in der böhmischen Heimat, ab den 1940er Jahren an verschiedenen Universitäten in den USA und in Rom.
heimatverbunden und weltläufig
Geboren im ostböhmischen Polička als Sohn eines Schusters und Türmers, kam Bohuslav Martinů als Sechzehnjähriger nach Prag ans Konservatorium, wo er zunächst Violine studierte, obwohl er seine Bestimmung im Komponieren sah. 1910 wegen „unverbesserlicher Nachlässigkeit" vom Institut verwiesen, kehrte er erst 1923 zum neuen Kompositionslehrer Suk für ein Jahr zurück.
Martinůs Stil ist schwer einzuordnen: Neben der Volksmusik seiner Heimat finden sich Einflüsse des Impressionismus, geschuldet seinen Jahren in Paris. 1941 emigrierte er in die USA. Der rastlose, produktive Komponist gilt als Neoklassizist. Romantisches war ihm eher fremd, er integrierte neue Klänge wie den Jazz ebenso in seine Kompositionen wie er gern auf alte Formen zurückgriff. Die viersätzige Partita, 1931 in Prag uraufgeführt, wirkt wie eine rhythmisch akzentuierte Rückbesinnung auf den Barock, temperamentvoll und verspielt. Gezupfte und gestrichene Abschnitte bilden einen reizvollen Kontrast. Der Musikwissenschaftler Harry Halbreich, der das Werkverzeichnis Martinůs erstellt hat, berichtete, dass dieser das Werk bei einer Konzertübertragung im Radio einmal nicht erkannte und sich erkundigte: „Aber das ist ja hübsch, von wem ist es denn?"
Experimentierfeld Solokonzert
Spätestens seit seiner Zeit als Hochfürstlich Anhalt-Cöthenischer Kapellmeister, der letzten Station vor den Leipziger Jahren, beschäftigte Bach sich intensiv mit der Instrumentalmusik, auch der neuen Form des Konzertes – seine Vivaldi-Bearbeitungen beweisen es ebenso wie die Brandenburgischen Konzerte.
Das Konzert in A-Dur BWV 1055 steht als viertes in einer Reihe von sieben Klavier- bzw. Cembalokonzerten, die in Leipzig Ende der 1720er Jahre für das dortige Collegium Musicum entstanden und in allen Fällen Umarbeitungen von früheren Stücken sind, geschrieben bereits in Köthen für jeweils andere Besetzungen. Hier rahmen wie damals üblich zwei schnelle Teile einen langsamen Satz. Das gelöste Allegro erinnert in der Gegenüberstellung von Solo und Tutti an ein Concerto grosso. Nach dem schwermütig klagenden Larghetto setzt dann das beschwingte Finale ein. Heute erklingt es in seiner – rekonstruierten – ursprünglichen Form mit der Oboe d’amore als Soloinstrument.
und der Schutzheilige Böhmens
Josef Suk stammte aus Mittelböhmen und bekam ersten Unterricht in Klavier, Geige und Orgel bei seinem Vater, einem Lehrer und Kirchenmusiker. Elfjährig ans Prager Konservatorium gekommen, studierte er bald bei Hanuš Wihan Kammermusik und begann mit dem Komponieren. Als Dvořák 1891 ans Konservatorium kam, ging Suk in dessen Unterricht, wurde bald sein Lieblingsschüler und gehörte ab 1898 durch die Heirat mit Tochter Otilie als Schwiegersohn sogar zur Familie. Jahre später, ab 1922, wurde Suk selbst Kompositionsprofessor am Konservatorium und engagierter Rektor.
Die kurze Meditation über den Choral „St. Wenzeslaus“ entstand für Suks eigenes Streichquartett, mit dem er ab seiner Gründung 1891 bis 1933 konzertierte. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs sah sich Suk mit der Forderung konfrontiert, Konzerte jeweils mit der Österreichischen Hymne zu beginnen, denn Böhmen und Mähren waren Teil des Österreich-Ungarischen Kaiserreichs. Als patriotische Ergänzung komponierte der Tscheche Suk die Meditation über den St.-Wenzels-Choral, einen seit dem 12. Jahrhunderte bekannten Kirchenhymnus, der den Schutzpatron Böhmens anruft. Es ist eine nachdenklich beginnende und sich ins Flehende steigernde Bitte, das Volk von allem Bösen zu retten, die Suk in ruhiger Zuversicht enden lässt.
Eheglück in Prag
Antonín Dvořák, Sohn eines Gastwirts und Metzgers, hatte die Musikalität vom Vater, der seinen Lebensunterhalt später als Bratscher verdiente. Volksmusik war stets präsent, und in den Wirtshäusern wurde zum Tanz aufgespielt, wobei der Junge mittat. Von 1857 an erhielt der Sechzehnjährige Orgelunterricht. Auch der angehende Komponist strich zunächst die Bratsche in verschiedenen Orchestern, bevor ihm ein durch die Fürsprache von Johannes Brahms vermitteltes Staatsstipendium die freischaffende Laufbahn ebnete.
Die liebenswürdige Streicherserenade entstand im Mai 1875, wurde im Dezember des Folgejahres in Prag aus der Taufe gehoben und lehnt sich an die Serenadentradition des 18. Jahrhunderts an. Als Hörer*in ist man bei der überbordenden Fülle von zärtlichen und schwärmerischen Tonbildern versucht, wie der Dvořák-Biograph Otakar Šourek „erotische Beseligung“, „Gefühle der Liebessehnsucht“ und „erotische Gefühlsentbranntheit“ des jungen Ehemannes nachzufühlen. Bei aller lyrischen Intimität wird das Geschehen aber durch formale Symmetrie, imitatorische Themenverschränkung und harmonischen Ausgleich gewissermaßen für die Öffentlichkeit gebändigt.
Das 2009 von Musikern des Konzerthauses gegründete Konzerthaus Kammerorchester besteht fast ausschließlich aus Mitgliedern des Konzerthausorchesters Berlin und kommt ohne Dirigenten aus. Der demokratisch organisierte Klangkörper hat einen festen Platz in der Konzertsaison des Hauses und tritt wiederholt auf internationalen Podien in Erscheinung. So führten mehrere Konzertreisen das Ensemble beispielsweise in die Türkei, nach Holland und nach Japan.
Mehrere CD-Einspielungen sind erschienen, darunter mit dem Geiger Daniel Hope aus der Reihe „Recomposed by Max Richter“ die „Vier Jahreszeiten“ nach Antonio Vivaldi, ausgezeichnet mit dem „Echo Klassik“ 2013. Das Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf Werke für Streichorchester, aber auch auf Bearbeitungen von großen Kammermusikwerken wie zum Beispiel Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in der Bearbeitung von Gustav Mahler. Auch sinfonische Werke mit kleinerer Bläserbesetzung oder Solokonzerte mit Solisten wie dem Cellisten Julian Steckel, dem Geiger Ning Feng oder dem Pianisten Matthias Kirschnereit gehören zum Programm.
www.konzerthaus-kammerorchester.de
Das Konzerthaus Kammerorchester spielt im heutigen Konzert in folgender Besetzung:
SUYOEN KIM Violine I und Leitung
TERESA KAMMERER Violine I
CHRISTIANE ULBRICH Violine I
HIROSHI OOKA Violine I
VERONIKA KAHRER Violine I
LINDA FICHTNER Violine II
KAROLINE BESTEHORN Violine II
ULRIKE TÖPPEN Violine II
JANA KRÄMER-FORSTER Violine II
MATTHIAS GALLIEN Viola
ERNST MARTIN SCHIMIDT Viola
RAPHAEL GRUNAU Viola
ALEXANDER KAHL Violoncello
VIOLA BAYER Violoncello
HYEJIN KIM Violoncello
IGOR PROKOPETS Kontrabass
ist Erste Konzertmeisterin des Konzerthausorchesters Berlin. Sie wurde in Münster geboren und studierte in ihrer Heimatstadt bei Helge Slaatto, in München bei Ana Chumachenco sowie an der Kronberg Academy. Seit 2018 ist sie Mitglied des Konzerthausorchesters, ab 2019 außerdem Mitglied im Artemis Quartett. Sie ist Gewinnerin des Internationalen Violinwettbewerbs Hannover (2006) und Preisträgerin des Brüsseler Königin-Elisabeth-Wettbewerbs (2009). Als Solistin ist Suyoen Kim mit diversen renommierten Orchestern in Europa, Asien und Südamerika aufgetreten. Sie ist Mitglied im aktuellen Künstlerischen Beirat.
wurde in Landshut geboren und studierte in München bei Günter Passin. Bevor sie 1999 als Solo-Oboistin ins Konzerthausorchester Berlin eintrat, war sie Oboistin im Deutschen Symphonie-Orchester. Außerdem spielt sie im Konzerthaus Kammerorchester. Michaela Kuntz war Stipendiatin der Stiftung „Villa Musica“ und musizierte im Schleswig-Holstein Festival Orchestra. Als Solistin konzertierte sie unter anderem mit dem Ensemble Clemente, den Münchener Bachsolisten und dem Erzgebirgischen Orchester Aue. Sie ist Mitglied des aktuellen Orchestervorstands.
Kleine Ursachen, große Wirkung – was trägt bei zu gutem Klang, haben wir Musikerinnen und Musiker des Konzerthausorchesters Berlin gefragt. In der ersten Folge begleiten wir Petr Matěják aus unseren Ersten Geigen zu seinem Bogenbauer Petr Auředník, der seine Werkstatt in der Nähe von Prag hat.