15.00 Uhr
Expeditionskonzert mit Joana Mallwitz
Robert Schumann nannte es „Seele des Orchesters“ – das Horn hat einen wunderbar warmen, vielschichtigen Klang. Mal kündigt es Helden an, mal singt es Wehmut pur. Doch es kann nicht nur sensibel ganz unterschiedliche Gefühlslagen ausdrücken, sondern ist auch an sich ein hochsensibles Instrument, das zu beherrschen starke Nerven, ausgefeilte Technik und immerwährendes Training fordert. Wir wickeln das Horn und seine je nach Stimmung zwischen 275 und 472 cm Rohrlänge mal etwas für Euch ab!
Das sogenannte „Stopfen“ ist eine Technik aus der Zeit ventilloser Naturhörner: Die rechte Hand (oder ein Stopfdämpfer) im Schalltrichter verändert die Tonhöhe oder -qualität. Es ist etwas heikel, muss lange geübt werden und stellt dann eine Möglichkeit dar, die Höhe schwer ansteuerbarer Töne zu korrigieren. Auf dem modernen Horn wird nur noch für spezielle Effekte „getopft“ – es sorgt nämlich für einen scharfen Klang.
Es hilft nicht, drumherum zu reden: Horn spielen ist schwierig. Das enge lange Rohr sorgt dafür, dass die leicht anzusteuernden und vor allem sehr sauberen Naturtöne nah aneinanderliegen und vergleichsweise schwer zu treffen sind. Manche Töne kann man auf einem F-Horn, andere auf dem insgesamt etwas kürzeren B-Horn besser spielen. Um beide Klangräume gut abzudecken, entwickelten Eduard Kruspe und Bartholomäus Geisig aus Erfurt Ende des 19. Jahrhunderts das Doppelhorn mit Umschaltventil. Es gibt sogar das Tripelhorn. Wie bei zahlreichen anderen Instrumenten wurde auch beim Horn im Laufe seiner Geschichte ausführlich über Klang und Technik gestritten – Doppelhorn oder reines F-Horn, Ventile oder keine, Stopfen oder nicht... die Liste ist lang und für vieles gibt es ortsabhängige Spiel- und Klangtraditionen, allen voran das Wiener Horn.
Nicht durchgesetzt hat sich allerdings das omnitonische Horn – daruf lässt sich jede einzelne Naturtonreihe jeweils mit einem eigenen Horn spielen.
Wie einleitend erwähnt, braucht man am Horn Nerven wie Drahtseile, denn die herrlichen Solostellen des Instruments hört, kennt und liebt wirklich jede*r im Publikum und im Orchester. Ein µ zu wenig Lippenspannung, ein Winzigkeit zu viel Schwung im Luftstrom, Kondenswasser, die rechte Hand ein paar Millimeter zu tief im Schalltrichter – schon droht der gefürchtete „Kiekser“. Das kann (äußerst selten) sogar den Besten passieren. Aber in der „Glücksspirale“, wie das Horn manchmal lakonisch genannt wird, steckt zum Glück oft genug der Hauptgewinn – eine absolut makellose, zutiefst seelenvolle Melodie, wie sie nur das Horn hervorbringen kann!
Das Horn hat sich als einziges Blechblasinstrument ab Mitte des 18. Jahrhunderts einen festen Platz im Holzbläser-Quintett gesichert, weil es mit seinem Klang perfekt das Gemeinschaftsgebläse aus Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott ergänzt.
Als Hornist*in ist man gewissermaßen Sportler*in: Sämtliche Gesichtsmuskeln müssen angemessen trainiert werden! Im Fachjargon: Intervalle mit Beanspruchung und Pause führen zur Superkompensation (Verbesserung der Leistungsfähigkeit), Überforderung führt zu Leistungsabfall, Unterforderung zur Stagnation. Wenn im Taxi, am Flughafen oder im Hotelzimmer Diskretion gefragt ist, helfen zwischendurch „Trockenübungen“ am Mundstück ohne Instrument. Hauptsache, der Ansatz bleibt fit!
Titelfoto: Tobias Kruse/OSTKREUZ