15.00 Uhr
Expeditionskonzert mit Joana Mallwitz
Kurz bevor das Instrument des Monats September, die Bratsche, abgelöst wird, kommen hier 7 Fakten zum Instrument, die hoffentlich so manches Rätsel um die Bratsche lösen.
Wie jetzt…Rätsel? Na klar! Wer weiß denn schon, ob die Bratsche nun die Schuhgröße 42 tragende Stiefschwester der Geige oder die mehrere Schachteln am Tag rauchende Tante vom Cello oder doch eher die geheime Geliebte vom Kontrabass ist? Und heißt sie nicht eigentlich Viola?
Sie ist das alles und doch ganz anders, sie ist ein wunderbares, eigenständiges Instrument – und das hier solltet Ihr unbedingt über sie wissen:
Der Streicherfamilie zugrunde liegen die sogenannten „Violen“: gestrichene Instrumente, die in ihrer Form den heutigen Streichern ähneln, aber meist mehr Saiten und auch Bünde besitzen. Sie wurden ähnlich wie heute ein Cello zwischen den Knien gehalten und mit einem zu einem Halbmond gespannten Bogen gestrichen. Im Unterschied zu dieser Viola da gamba (ital. für Bein) gab es die Viola da braccio (ital. für Arm), ohne Bünde und etwas kleiner. Aus ihr entwickelten sich die modernen Instrumente Geige und Bratsche. Und jetzt ist auch klar, warum die Bratsche Viola und andersrum genannt wird, oder?
Die Bratsche darf einen Notenschlüssel ihr Eigen nennen: den Bratschen- oder Altschlüssel (den sie nur mit der Altposaune und mit sehr hoch hinauswollenden Celli teilt). Das eingestrichene c liegt hier auf der mittleren Notenlinie, bei dem kleinen Knick des ausladenden Kringels.
Anders als bei Geigen und Celli gibt es bei den Bratschen keine festgelegten Größen. Die Längen variieren meist zwischen 39 und 43 Zentimetern, wobei Profis große Instrumente bevorzugen. Denn eigentlich ist die Bratsche die Hummel unter den Instrumenten. So wie das Insekt aufgrund seiner Größe und Proportionen eigentlich nicht fliegen können sollte, kann auch die Bratsche nicht klingen. Sie ist eine Oktave höher gestimmt als ein Cello, aber ihr Klangkörper ist zu klein und damit die Saiten zu kurz für diese Tonlage. Das Schwingungsverhalten der Saiten ist nicht optimal, was zu dem besonderen, etwas nasalen – böse Zungen behaupten „verschnupften“ – Klang der Bratsche führt.
Bis ins 19. Jahrhundert spielte die Bratsche im Orchester eine untergeordnete Rolle. Die Stimme war leicht zu spielen, weswegen die nicht ganz so begabten Musiker aus der Geigengruppe dankbar wechselten. Und so ließ natürlich auch das Klischeebild des vermeintlich langsamen, schwerfälligen, unbegabten, übefaulen Bratschisten nicht lange auf sich warten. Die romantischen Komponisten entdeckten dann zwar die Klangschönheit des Instruments, aber ließen die Bratsche weder solistisch noch virtuos auftreten.
Wie die Steigerung dieser Klischees aussieht? Gute Bratscherwitze werden in Orchestern so heiß gehandelt wie ein frisch gereinigter Konzertfrack. Gut, dass es die Bratschengruppe nicht juckt. Und wer jetzt den neuesten Aufguss dieses lauwarmen Süppchens hören möchte, der fragt am besten die Internetsuchmaschine.
Georg Philipp Telemann komponierte das erste bedeutende Solokonzert für Bratsche überhaupt in der Musikgeschichte, Haydn und Mozart ließen das Instrument zumindest wichtige Stellen in ihren berühmten Streichquartetten übernehmen. In der Orchesterliteratur kam der Durchbruch sehr viel später: Richard Strauss und Hector Berlioz schrieben der Bratsche in ihren Werken echte Glanzrollen auf den Korpus.
Die Viola wurde sogar schon mit einem eigenen Flashmob gefeiert. 2013 trafen sich in einem Einkaufszentrum in Portugal 353 Bratscherinnen und Bratscher zum gemeinsamen Spielen.
Fotos: Marco Borggreve