Ein Hoch auf die Freundschaft

von Annette Zerpner 18. August 2022

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© Marco Borggreve

Chefdirigent Christoph Eschenbach über seine Saison 22/23

Was prägt Ihre letzte Saison als Chefdirigent des Konzerthausorchesters?

Die kommende Spielzeit hat für mich einen sehr persönlichen Charakter – wir werden gemeinsam eine ganze Reihe Künstlerinnen und Künstler erleben, mit denen mich viele Jahrzehnte der Freundschaft und Zusammenarbeit verbinden.

Das gilt bereits für den Saisonauftakt, zu dem die große Sopranistin Renée Fleming eingeladen ist?

Genau. Renée Fleming und ich haben uns 1988 in Houston kennengelernt, während ich Muskalischer Direktor der Houston Symphony und der Houston Grand Opera war. Sie sprang für eine erkrankte Kollegin als Gräfin in Mozarts „Figaro“ ein. Ein Glücksfall – aus dieser Zusammenarbeit entwickelte sich eine tiefe künstlerische und freundschaftliche Verbindung. Wir haben gemeinsam viele Opern erarbeitet. Ich hatte die Freude, mit Renée Fleming eine ganz großartige Strauss-Interpretin zu dirigieren, etwa als Marschallin im „Rosenkavalier“ oder als Arabella. Für Richard Strauss‘ „Vier letzte Lieder“ ist sie meine Idealbesetzung. Ich bin beglückt, dass wir damit gemeinsam am 26. und 27. August die neue Saison beginnen.

Renée Fleming

Idealbesetzung: Sopranistin Renée Fleming und Richard Strauss

Nach der Achten und der Ersten werden Sie nun gleich drei Mahler-Sinfonien dirigieren: Die Fünfte zur Saisoneröffnung, später dann die Vierte und die Zweite. Den Grundstein für Ihre Liebe zu Mahlers Sinfonien hat Gustaf Gründgens gelegt, haben Sie uns schon erzählt.

Gründgens gab mir eine Schallplatte mit einer Aufnahme der Zweiten unter Leitung von Otto Klemperer. Das müsse ich hören, sagte er. Nach 1945 wurde Mahler ja kaum aufgeführt. Ich musste ihn also erst kennenlernen. Meine Beschäftigung mit jeder Sinfonie, mit jedem einzelnen dieser gewaltigen Stücke, war für mich als jungem Menschen ein Schlüsselerlebnis. Wenn diese Werke in einem aufbrechen, lassen sie einen nie wieder los.

Ist damit Ihr persönlicher Mahler-Zyklus mit dem Konzerthausorchester abgeschlossen?

Ich hätte mir sehr gewünscht, zum Ende meiner Chefdirigentenzeit seine Neunte aufzuführen. Das muss nun noch warten. Im Abschlusskonzert im Juni 2023 werden stattdessen Schuberts „Unvollendete“ und Mozarts „Requiem“ erklingen.

Was bedeutet Ihnen diese letzte von Gustav Mahler vollendete Sinfonie?

Die Neunte ist die Krönung seines Schaffens. Sie stellt die Frage nach Leben und Tod und endet mit einem wirklich großen Fragezeichen. Das zu gestalten, ist sehr schwierig. Dazu braucht man ein Orchester, das dieses Phänomen versteht – das Konzerthausorchester tut es. Deswegen ist es mir wirklich wichtig, dass wir dieses Werk noch zusammen machen. Ich bleibe dem Haus und dem Orchester ja weiterhin verbunden. 

Wie würden Sie nach drei Spielzeiten Ihr Verhältnis zu den Musikerinnen und Musikern des Konzerthausorchesters beschreiben?

Ich bin glücklich darüber, wie das Orchester die Musik aus meiner Hand annimmt, die ich ihm ja im doppelten Sinne reiche. Wir haben in und durch die Musik ein Freundschaftband geknüpft.

Für Frühjahr 2023 ist eine Japan-Tournee mit Brahms-Schwerpunkt geplant – das Programm erklingt natürlich auch am Gendarmenmarkt. Geigerin Midori, mit der Sie ebenfalls schon sehr lange eine Künstlerfreundschaft pflegen, wird als Solistin mitreisen. Was bedeutet Ihnen dieses klassikbegeisterte Land?

Es ist jedes Mal ein ganz besonderes Erlebnis und eine große Freude, mit einem Orchester in Japan zu spielen. Die äußeren Zeichen der Begeisterung dort kennen wir alle: Die Säle sind immer voll. Und nach jedem Konzerte bilden sich endlose Schlangen von Menschen, um Schallplatten für Autogramme zu bringen und sich zu bedanken. Aber in Japan existiert zudem wirklich ein enorm großes Musikverständnis, das in einem Hang zur Innerlichkeit wurzelt.  Nur wer diesen Hang hat, kann Musik aus ihrem Urgrund verstehen. Ich war 1969 als Pianist zum ersten Mal dort. Ich habe mich in das Land verliebt, die Kultur förmlich eingesogen und mich seitdem sehr mit ihr identifiziert.

Midori

Geigerin Midori reist im Frühjahr mit nach Japan.

Mit dem Komponistenporträt Aribert Reimann beim Musikfest Berlin im September und der Uraufführung eines Werkes von Christian Mason widmen Sie sich in zwei Programmen zeitgenössischer Musik. Wie kam es zu dieser Auswahl?

Aribert Reimann und ich kennen uns seit etwa 50 Jahren. Ich habe nicht nur zu ihm, sondern auch zu seiner Musik ein enges Verhältnis. Für mich ist er einer der ganz großen Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts. Er spürt der Musik in ihren innersten Ausdruckszellen nach, verbindet sie mit seinem eigenen Ausdruckswillen und schöpft aus dieser Quelle höchst faszinierende Stücke. Im Laufe der Jahrzehnte hat er einiges direkt für mich geschrieben. Dazu gehören die „Neun Orchesterstücke“, die beim Musikfest Berlin zu hören sein werden. Weitere seiner Werke habe ich uraufgeführt. Mit dem jungen Briten Christian Mason verbindet mich, dass wir 2015 beide von der Ernst von Siemens Musikstiftung ausgezeichnet wurden – er mit einem Komponisten-Förderpreis und ich mit dem Musikpreis. Zu diesem Anlass habe ich bereits ein Stück von ihm uraufgeführt und schätze ihn sehr.

Jörg Widmann ist beim Musikfest Berlin am 10. September Solist in Aribert Reimanns Klarinettenkonzert „Cantus“.

Fotos: Marco Borggreve (Titel; Widmann), Decca_Andrew Eccles (Fleming), Timothy Greenfield-Sanders (Midori)

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