Vogler Quartett

von Dr. Sebastian Urmoneit 16. März 2024

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Inhalt

Vogler Quartett
     Tim Vogler Violine
     Frank Reinecke Violine
     Stefan Fehlandt Viola
     Stephan Forck Violoncello



Programm

 

Joseph Haydn (1732 – 1809)
Streichquartett D-Dur op. 76 Nr. 5 Hob. III:79
Allegretto – Allegro
Largo. Cantabile e mesto
Menuetto. Allegro – Trio
Finale. Presto

 

Alban Berg (1885 – 1935)
Streichquartett op. 3 (1910)
Langsam
Mäßige Viertel



Pause

 

Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Streichquartett Nr. 13 G-Dur op. 106
Allegro moderato
Adagio ma non troppo
Molto vivace
Andante sostenuto – Allegro con fuoco

Selbstgespräch über Tradition

Haydns D-Dur-Quartett op. 76 Nr. 5

Am Ende seines Lebens komponierte Joseph Haydn keine Sinfonien mehr, sondern wandte sich allein der geistlichen Musik, dem Oratorium und dem Quartett zu – mit Bezug zu letzterem schreibt Ludwig Finscher: „Oft genug hat man den Eindruck, der Komponist unterhält sich mit sich selbst über die von ihm geschaffene Tradition, und dementsprechend ist das Verhältnis zu dieser Tradition doppelbödig.“

Am Anfang des fünften Werkes seiner letzten, 1797 komponierten Quartett-Serie steht ein dreiteiliges Allegretto, das mit einem Siciliana-Thema im 6/8-Takt eröffnet wird. Die gesamte aus ihm entwickelte Formgestalt weist dieses Allegretto eigentlich eher als zweiten denn als ersten Satz aus. Trotz der durchführenden Verarbeitung dieses Themas lässt sich der Satz nicht auf die Sonatenform bringen. Beendet wird er mit einer Coda, in der Haydn, das Tempo zum Allegro steigernd, an die Durchführung anknüpft.

Dem Largo in Fis-Dur, das Ludwig Finscher als vielleicht größten langsamen Satz ansieht, den Haydn geschrieben hat, liegt dagegen die Sonatenform zugrunde, in der langsame Sätze für gewöhnlich nicht komponiert sind. Akzentverlagerungen im Kontrastteil des Menuetts verhindern, dass sich im dritten Satz ein Tanzcharakter ausbreiten kann. Das d-Moll-Trio wird fast durchweg von Achtelfiguren, zumeist im Violoncello beherrscht.

Das Finale eröffntet Haydn mit einen Ganzschluss in D-Dur, mit dem er den Satz auch hätte beschließen können. Als Hauptthema erklingt, wie häufig in Haydns Kehraussätzen, ein Drehtanzthema. Dessen Oberquinttransposition täuscht einen monothematischen Sonatensatz vor. Das eigentliche Seitenthema ist ihm als dessen Umkehrungsvariante dennoch eng verwandt.

Wohlklang und feierliche Süße

Bergs Quartett op. 3

Alban Bergs im Frühjahr und Sommer 1910 entstandenes Streichquartett ist oft als „Gesellenstück“ seines Unterrichts bei Schönberg angesehen worden. Der gestrenge Lehrer bemerkte dazu: „Eines ist sicher, dass sein Streichquartett mich in unglaublichster Weise überraschte durch die Fülle und Ungezwungenheit seiner Tonsprache, die Kraft und Sicherheit der Darstellung, die sorgfältige Durcharbeitung und die bedeutende Originalität.“ Noch im März 1920 teilte Berg Webern mit, dass er „eine unerklärliche Schwäche“ für sein Quartett hätte.

Das Werk hat nur zwei Sätze. Wenn in der Literatur, so auch von Bergs Schüler Adorno, von einer Sonatensatzform im ersten und einem Sonatenrondo im zweiten Satz gesprochen wird, dann wird dies der Komposition Bergs nicht gerecht. Ferdinand Redlich erfasst wohl Bergs Ansatz, wenn er davon spricht, dass die beiden eng miteinander zusammenhängenden Sätze sich wie Exposition und Durchführung eines Sonatensatzes zueinander verhielten. Durch eine Revision 1924 hat Berg die beiden Sätze einander im Tempo angenähert und noch kurz vor seinem Tod darüber nachgedacht, einen kurzen Mittelsatz einzuschieben, um die beiden Sätze voneinander zu trennen.

Die Uraufführung des Quartetts fand zwar schon am 24. April 1911 in Wien durch ein ad hoc zusammengestelltes Ensemble statt, doch den Durchbruch sollte es erst durch die Aufführung am 2. August 1923 durch das Havemann-Quartett in Salzburg erlangen. In einem Brief an seine Frau sprach Berg davon, dass diese Aufführung „künstlerisch der schönste Abend meines Lebens“ gewesen sei. „Trotz meiner grossen Aufregung […]  schwelgte ich in dem Wohlklang und der feierlichen Süsse und Schwärmerei dieser Musik. Du kannst Dir’s nach dem, was Du bisher gehört hast, nicht vorstellen. Die sogenannt wildesten und gewagtesten Stellen waren eitel Wohlklang im klassischen Sinn.“

„Wenn einem der liebe Gott die Speisen so mundgerecht zubereitet“

Dvořáks G-Dur-Quartett op. 106

In das Autograph seines zwischen dem 11. November und dem 9. Dezember 1895 wie in einem Zug komponierten G-Dur-Streichquartetts hatte Antonín Dvořák geschrieben, dass es die „erste Komposition nach der zweiten Rückkehr aus Amerika“ sei. Dem Dichter Julius Zeyer teilte er mit, dass ihm die Themen selten so „vorbildlich und buchstäblich zugeflossen“ seien, wie bei der Arbeit an diesem Werk: „Wenn einem der liebe Gott die Speisen so mundgerecht zubereitet, da braucht man nur die Hände auszustrecken und zu genießen. Ich bin mit allem, was ich in diesem Quartett geleistet habe, sehr zufrieden.“

Dvořák umrundet in den Tonarten der vier Sätze des G-Dur-Quartetts den Großterzzirkel G-Dur–Es-Dur–h-Moll–G-Dur. Wenn er dann an mehreren Stellen des Kopfsatzes den übermäßigen Dreiklang h–es–g hervortreten lässt, in dem die Grundtöne der drei Haupttonarten in einem Akkord zusammenklingen, dann zeugt dies davon, wie gut er mit Liszts Harmonik vertraut gewesen war.

Am Adagio bewunderte Leoš Janáček, wie Dvořák „ein- und demselben musikalischen Gedanken jedes Mal einen anderen Ausdruck verliehen hat.“ Im Scherzo, das als einziger seiner Scherzosätze zwei verschiedene Trios aufweist, wartet Dvořák mit Anleihen an folkloristische Elemente auf und lässt den Satz als Furiant beginnen. Als Trio erklingt eine Berceuse.

In einer kurzen langsamen Einleitung lässt Dvořák das Finalthema leise anklingen, bevor es im Allegro con fuoco einsetzt. Im Grunde folgt in diesem Rondo eine Tanzmelodie auf die andere.

zurück

Das Ensemble, das seit 1985 in unveränderter Besetzung spielt, wurde bereits ein Jahr nach seiner Gründung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit dem Ersten Preis beim Streichquartettwettbewerb in Evian 1986 international bekannt. Eberhard Feltz, György Kurtág und das LaSalle Quartett, hier vor allem Walter Levin, förderten das Quartett und wurden zu prägenden Mentoren. Sein umfangreiches Repertoire reicht von Haydn über Bartók und die Zweite Wiener Schule bis zu Neuer Musik. So spielte es unter anderem die Werke von Karl Amadeus Hartmann sowie das mehrstündige Quartett Nr. 2 von Morton Feldman, realisierte zusammen mit dem Arditti Quartett einen Rihm-Zyklus zur EXPO 2000 und brachte Kompositionen beispielsweise von Moritz Eggert, Frank Michael Beyer, Ian Wilson, Jörg Widmann, Mauricio Kagel, Erhard Grosskopf, Taner Akyol und Sven-Ingo Koch zur Uraufführung. Regelmäßig arbeitet das Vogler Quartett mit Künstlern wie Jörg Widmann, David Orlowsky, Salome Kammer, Jochen Kowalski, Tatjana Masurenko oder Oliver Triendl zusammen. In der Vergangenheit konzertierte es unter anderem auch mit Lynn Harrell, James Levine, Bernard Greenhouse, Boris Pergamenschikow und Menahem Pressler.

In den europäischen Musikzentren fühlen sich die vier Musiker ebenso zu Hause wie in den USA, Japan, Australien und Neuseeland. Seit 1993 veranstaltet das Vogler Quartett im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt eine eigene Konzertreihe, seit 2000 ebenfalls in Neubrandenburg. 2000 gründete das Ensemble das jährlich stattfindende Kammermusikfestival „Musik in Drumcliffe“ im irischen Sligo und übernahm 2002 die künstlerische Leitung der Kammermusiktage Homburg/Saar. Die Mitglieder des Vogler Quartetts unterrichten an den Hochschulen in Berlin, Frankfurt, Leipzig und Stuttgart und geben Meisterkurse für professionelle Quartette in Europa und Übersee. Als Nachfolger des Melos-Quartetts hatte das Vogler Quartett die Professur für Kammermusik an der Musikhochschule in Stuttgart inne. Im Bereich der Musikvermittlung ist es bei „Musik in Drumcliffe“ und seit 2005 bei den mehrfach ausgezeichneten Nordhessischen Kindermusiktagen tätig.

Anlässlich des 30-jährigen Quartettjubiläums erschien Anfang 2015 im Berenberg Verlag das Buch „Eine Welt auf sechzehn Saiten – Gespräche mit dem Vogler Quartett“. Die Diskographie des Ensembles umfasst Werke unter anderem von Brahms, Schumann, Schubert, Mendelssohn, Reger, Schulhoff, Hartmann, Klarinettenquintette von Mozart und Golijov mit David Orlowsky sowie ein Tango-Album mit dem Bandoneonisten Marcelo Nisinman. Die CD „Paris Days – Berlin Nights“ mit Ute Lemper und Stefan Malzew erhielt eine Grammy-Nominierung. Sukzessive entsteht eine Gesamtaufnahme der Dvořák-Quartette für das Label cpo (vier Doppel-CDs sowie das Klavierquintett op. 81 liegen bereits vor).
Anfang 2021 erschienen zwei neue Alben beim Label Capriccio mit Werken von Georgi Catoire (mit Oliver Triendl) und Grigori Frid  (mit Elisaveta Blumina). Beide waren für den International Classic Award ICMA nominiert.

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