15.00 Uhr
Expeditionskonzert mit Joana Mallwitz
Im Krimi „Solo für Klarinette“ ist das Holzblasinstrument die Mordwaffe. Normalerweise kommt es aber in Liebesszenen zum Einsatz oder wenn’s mal traurig wird, versichert Ralf Forster, seit 26 Jahren im Konzerthausorchester Berlin. Unser Solo-Klarinettist über seinen Weg zum Instrument und seine Liebe zur Fotografie.
Ich bin in einem Vorort von München groß geworden. Ein um einiges älterer Nachbarsjunge hat mit mir Fußball gespielt. Irgendwann hatte er keine Zeit mehr, weil er sich aufs Klarinettenstudium vorbereiten musste. Als ich 9 war, drückte er mir eine Es- oder D-Klarinette in die Hand. Nach einer Woche habe ich für meinen Vater „Happy Birthday“ gespielt. Das hat ihn sehr gerührt, und ich bekam Unterricht.
Nicht sofort. Mein Onkel, der Filmkomponist Harold Faltermeyer, hat mich manchmal ins Studio mitgenommen. Nach Tennisspieler wollte ich Toningenieur werden. Aber die Klarinette lief immer mit und war nicht totzukriegen. Nach einem Sieg beim Landeswettbewerb „Jugend Musiziert“ kam ich in ein sehr gutes Nachwuchs-Bläserquintett. Das Feilen an Bewegungsabläufen und das Reisen in Verbindung mit Musik gefielen mir so, dass ich mich schließlich hingesetzt und wirklich geübt habe, um Klarinette zu studieren.
Manches ist sogar schwieriger mit Eltern, die das gleiche machen wie man selbst. In meiner Familie gab es mir gegenüber keine Erwartungshaltung, die Druck erzeugt hätte. Meine Eltern sind immer glücklich, wenn sie mich hören. Meine Mutter war bei Schubert 4 zum ersten Mal bei „Mittendrin“. Sie saß neben mir und hat geweint im Konzert. Es war ein wunderbarer Moment für sie, so nah mitzuerleben, was ich mache.
Es gab Momente, wo ich mindestens so gerne Es-Klarinette gespielt habe wie jetzt die große A- und B-Klarinette, mit der man sich so schön in die lyrischen Parts hineinlehnen kann. Als Es-Klarinettist bist Du eher Schlaginstrument. Bei Schostakowitsch wird man zum Beispiel fast wie ein Xylophon eingesetzt. Große lyrische Soli wie in Mahler 9 oder Bolero sind eine Ausnahme. Normalerweise ist man gemeinsam mit der Piccolo an schnellen, heißen Stellen dran. Die Es-Klarinette erlaubt einem, humoresk zu spielen. Sie ist wendig wie ein Rennrad, während die Bassklarinette eher erhaben auf dem Hollandrad unterwegs ist: Man holt einmal tief Luft, lässt den Ton schwingen und erdet die gesamte Familie. Eine Chefrolle gibt bei uns es nicht.
Früher habe ich sogar alles selber gemacht – das Schilfholz Arundo donax gespalten, façonniert, geschliffen, bewässert, den Mond angeschaut, das rote T-Shirt, mit dem beim letzten Mal alles super geklappt hat, wieder angezogen. Am Ende hab ich festgestellt, dass der Prozess unbeherrschbar ist. Inzwischen können wir zum Glück sehr gute Blätter von Spezialisten kaufen. In der Zeit, die Du nicht zum Bauen brauchst, kannst Du üben. Aber pflegen und einspielen muss man die Blätter immer. Manchmal denkst Du: „Das ist jetzt mein perfektes Blatt!“ Und dann ist doch das links daneben in der Schachtel das bessere.
Das habe ich von meinem Vater. Er ist begeisterter Naturfotograf. Mich reizen Architektur- und Reisefotografie. Bevor ich Familie hatte, bin ich mit Leica, Tauchermaske und zwei T-Shirts im Rucksack losgeflogen. Ich habe meine Fotos auch selber entwickelt. Das gab mir ein wunderbares Gefühl der Ruhe. Fotografie ist das Reflexionsmoment in meinem Leben.
Fotos: Marco Borggreve (Konzertfotos), Tobias Kruse/OSTKREUZ (Titelporträt); Luisa Aha, Ralf Forster, Norbert Möller