15.00 Uhr
Expeditionskonzert mit Joana Mallwitz
Geigen gibt es viele in einem Sinfonieorchester – bei großen Besetzungen sitzen schon mal 16 Erste und 14 Zweite Violinen auf der Bühne. So viele Mitglieder hat keine andere Instrumentengruppe. Gut, dass die Geige ein Teamplayer ist, die mit ihrer Klangfarbe bringt auch alle anderen zum Glänzen bringt. Also unterstützend und nur manchmal ein ganz kleines bisschen kapriziös im Umgang: Mal drückt der Steg, mal muss Kolofonium nachgelegt werden– aber sind solche alltäglichen Wartungsarbeiten erledigt, singt sie wieder wunderschön im tutti mit ihren zahlreichen Schwestern. Hier kommen 11 weitere Fakten zur Geige, von denen Ihr vielleicht zum ersten Mal hört.
Wie ihr wollt! Es gibt tatsächlich gar keinen Unterschied, es handelt sich einfach um zwei Namen für ein und dasselbe Instrument. //Violine// klingt ein bisschen vornehmer, ist aber auch umständlicher im alltäglichen Sprechen, //Geige// würde jede Geigerin und jeder Violinist selbst zu seinem Instrument sagen. Schon im 12. Jahrhundert wurde die Geige zum ersten Mal erwähnt, die Bezeichnung Violine tauchte erst im 16. Jahrhundert auf. Damals waren es vermutlich wirklich noch zwei unterschiedliche Instrumente mit verschiedenen Stimmungen, Saitenanzahl und Haltung. Heute ist’s ein und dasselbe.
Eine fertige Geige besteht aus ca. siebzig Teilen, wenn man wirklich alle Fertigungsschritte mit einbezieht. Jedes einzelne dieser Teile wird mit großer Sorgfalt ausgesucht und angepasst. Denn am Ende muss die Geige aussehen, als sei sie aus einem Stück Holz geschnitzt. Das ist zumindest der Anspruch der Geigenbauer und -bauerinnen. Manche der Teile haben übrigens lustige Namen: Schnecke, Brücke, Frosch, Steg, Reifchen. Und: Eine Geige darf aus klanglichen Gründen und für die richtige Haltung auf keinen Fall symmetrisch sein, auch wenn sie auf den ersten Blick so aussieht.
11 Millionen Dollar. So viel zahlte ein Unbekannter 2011 für die „Lady Blunt“ – eine Geige, die von Antonio Stradivari gebaut wurde. Sie soll die am besten erhaltene aus der Werkstatt des Cremoneser Geigenbaumeisters sein und wurde nach ihrer Besitzerin benannt: Anne Blunt, Tochter von Ada Lovelace und Enkelin von Lord Byron. Und leider spielt zumindest öffentlich niemand auf ihr, der Besitzer möchte sie anscheinend ganz für sich. Die teuerste Geige ist die „Lady Blunt“ damit allerdings nicht. 2012 soll die nach einem französischen Geiger benannte „Vieuxtemps“ von Bartolomeo Giuseppe Guarneri für 16 Millionen versteigert worden sein. Ob seitdem bereits ein noch höherer Preis für eine Geige bezahlt wurde? Man weiß es nicht. In dieser Preislage ist man sehr verschwiegen.
Dichter der frühen Barockzeit hängten zum ersten Mal den Himmel voller Geigen, vermutlich inspiriert von den Malern der Frührenaissance, die den Himmel mit musizierenden Engeln belebt darstellten. Auch Martin Luther griff in seinen Schriften darauf zurück und Goethes Mutter schrieb an ihren Sohn: „P. S.: Jetzt hangt hir der Himmel voller Geigen – alle Tage wird gedanzt!“ Franz Lehár ließ die Redensart als Liebesschwur in seinen Operetten flüstern, die Puhdys haben auch ein Lied draus gemacht, von Matthias Reim wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst anfangen….Aber eine schöne Vorstellung ist es doch, oder?
Die meisten Geigen werden zwar immer noch aus Holz gemacht. Aber mit dem Fortschritt der Technik werden auch Geigenbauer und Wissenschaftlerinnen experimentierfreudiger. Es gibt Geigen aus Karbon, aus Pappe, 2015 druckte ein französischer Wissenschaftler zum ersten Mal ein Instrument direkt mit dem 3D-Drucker. Ob sie vom Klang wirklich mit den Geigen aus Holz mithalten können, muss jeder selbst entscheiden. Übrigens: Seit einigen Jahren gibt es auch komplett vegane Geigen. Denn neben Horn, Elfenbein, Darm, Perlmutt und Pferdehaaren ist vor allem der Leim ein echtes Manko. Geigenbaumeister Jacob Thierfelder experimentiert zurzeit mit veganen Alternativen – ein Langzeit-Praxistest steht allerdings noch aus.
Eigentlich kann man es sich ja kaum vorstellen, aber es wurden schon viele Geigen in Zügen, Flugzeugen und Taxis vergessen. Meistens bekommen die schockierten Musikerinnen und Musiker ihr Instrument schnell wieder, ehrliche Finder gibt es eben doch. Manchmal aber wird es kriminell. Beim letzten größeren internationalen Fall im November 2019 musste der Geiger Stephen Morris einem Mann, der sich zuvor bei ihm per Direktnachricht über Twitter gemeldet hatte, 250 000 Britische Pfund geben, um sein im Zug vergessenes Instrument zurückzubekommen. Und im Juli 2021 konnte ein Geiger sein Instrument im Wert von 100 000 Euro auf dem Abstellgleis im Karlsruher Bahnhof wieder abholen – es war glücklicherweise die Endhaltestelle des Zuges gewesen.
Bei weitem nicht alle haben ihn, aber wenn man ihn hat, kann ein sogenannter Geigerfleck belastend und schmerzhaft sein. Er entsteht bei manchen viel spielenden Profis, wenn das Instrument immer wieder an derselben Stelle links unter dem Kiefer auf empfindliche Haut trifft. Das kann zu Entzündungen bis hin zu einer Wunde führen. Außer einer Spielpause gibt es dagegen bisher leider kein wirksames Gegenmittel: Salben leisten erste Hilfe, allerlei unterschiedliche Kinnstützen und Abpolsterungen dürfen natürlich den Klang nicht beeinträchtigen und selbst minimale Veränderungen an der Spielhaltung sind eine heikle Sache. Wir hoffen auf die Forschung und die Tüftler und wünschen gute Besserung!
Vielleicht der größte Mythos in Bezug auf Geigen. Die Instrumente aus der Werkstatt des 1648 geborenen und 1737 gestorbenen Italieners Antonio Stradivari gehören zu den wertvollsten auf der ganzen Welt. Viel weiß man nicht über ihn und sein Leben, aber seine Geigen sollen die besten sein. Liegt es am von ihm verwendeten Holz oder dessen langer Lagerzeit, bevor er es verbaute? Ist es der Lack, der typischerweise tiefrot und sehr dünn aufgetragen wurde? Oder doch die besondere Position des Stimmstocks im Inneren? Bislang ist Stradivari noch niemand so richtig auf die Schliche gekommen. Gut für Spekulanten! Mittlerweile erzielen manche Instrumente Summen, die jeglichen Rahmen sprengen. Es gibt noch ca. 620 Stradivari-Instrumente, die spielbar sind.
Nein, nicht die Motorräder, sondern Shinichi Suzuki. Der 1898 in Nagoya geborene und 1998 ebendort verstorbene japanische Geigenpädagoge revolutionierte den Geigenunterricht mit der nach ihm benannten Suzuki-Methode. Dabei stützt er sich auf die Prinzipien von Hören, Beobachten und Nachahmen verzichtet zur Beginn auf große Theorie-Einheiten und Notenlesen. Typisch für die Suzuki-Methode sind die riesigen Orchester, in denen Kinder von 3 bis 18 Jahren gemeinsam Geige spielen, ohne Noten vor sich zu haben.
Dieser Artikel darf nicht ohne die Erwähnung des Bogens zu Ende gehen. Nein, das ist nicht nur ein Stock mit ein bisschen Pferdehaar dran, sondern ein hochkomplexes Teil mit dem richtigen Schwerpunkt, dem passenden Gewicht und der besten Schmierung durch Kolophonium. Bogenbauer sind darauf spezialisiert, ausschließlich Bögen zu bauen und immer wieder neu zu beziehen. Denn die Behaarung lässt mit der Zeit nach und dann muss aufgefüllt werden. Und Bögen können teuer sein, manchmal so teuer wie die Geige selbst. Also Geige ohne Bogen? No way!
So tun, als ob man Geige spielen kann? Das ist sauschwer und sieht leider immer unecht aus – Schauspielerinnen und Schauspieler können von diesem Problem ein Liedchen singen. Die Geigenhaltung ist so speziell und eigentlich auch derart unnatürlich, dass man sie nur dann glaubwürdig einnehmen kann, wenn man sie in relativ jungem Alter erlernt hat.
Was passiert, wenn Geigerin Christiane Ulbrich und Solo-Cellist Friedemann Ludwig Instrumente tauschen, seht ihr hier!
Fotos: Marco Borggreve