14.00 Uhr
Espresso-Konzert mit dem Konzerthausorchester Berlin
Vogler Quartett
Tim Vogler Violine
Frank Reinecke Violine
Stefan Fehlandt Viola
Stephan Forck Violoncello
Max Reger (1873 – 1916)
Trio a-Moll für Violine, Viola und Violoncello op. 77b
Sostenuto – Allegro agitato
Larghetto
Scherzo. Vivace
Allegro con moto
Zoltan Kodály (1882 – 1967)
Duo für Violine und Violoncello op. 7
Allegro serioso, non troppo
Adagio – Andante
Maestoso e largamente, ma non troppo lento – Presto
Pause
Edvard Grieg (1843 – 1907)
Streichquartett Nr. 1 g-Moll op. 27
Un poco Andante – Allegro molto ed agitato
Romanze. Andantino – Allegro agitato
Intermezzo. Allegro molto marcato – Più vivo e scherzando
Finale. Lento – Presto al Saltarello
In Zusammenarbeit mit dem Vogler Quartett
Regers a-Moll-Trio
Im Juni 1904 beklagte Max Reger nicht allein „den Niedergang des menschlichen Empfindens“, sondern wusste auch, woran es lag: „Mir ist’s absolut klar, was unserer heutigen Musik mangelt: ein Mozart!“ Die Leichtigkeit und Spielfreude seines zu dieser Zeit komponierten a-Moll-Streichtrios klingt wie ein Gegenmittel zur satztechnischen Überfrachtung der Musik seiner Zeit. Dennoch betonte Reger selbst, dass es „absolut nicht ‘unregerisch‘“ ist. Der mit einer langsamen Einleitung eröffnete Agitato-Kopfsatz steht in seiner motivischen Dichte, der Hemiolen-Rhythmik und dem Volkslied-Ton des zweiten Themas Brahms näher als Mozart.
Das E-Dur-Larghetto beginnt wie ein Notturno und enthält als Mittelteil eine dramatisch gesteigerte Agitato-Episode. Das auf das Vivace, die Nr. 7 seines Zyklus „Aus meinem Tagebuch“ op. 82, zurückgehende Scherzo gleicht der Parodie eines deutschen Tanzes. Sein Trio klingt, zumindest nach den Worten des ungarischen Geigers Vilmos Tátrais, sogar fast wie ein „Schuhplattler“. Wirklich im Geist Mozarts geschaffen ist das Rondo-Finale mit seiner aufgelichteten Faktur und seinem Themenreichtum.
Nach der erfolgreichen Münchner Uraufführung stichelte Regers ärgster Widerpart Rudolf Louis, dass sich der Komponist in seinem Streichtrio „den Karnevalsspaß erlaubt“ habe, „die Maske des Klassizisten vorzubinden“ und wie aus Mitleid mit den weniger vorgeschrittenen Zeitgenossen sich dazu herabgelassen habe, „auch einmal für die Gegenwart, statt ausschließlich für eine ferne Zukunft zu schreiben.“
Kodálys Duo op. 7
Zoltán Kodály gilt gemeinsam mit Béla Bartók als Entdecker der autochthonen ungarischen Folklore. Die beiden Komponisten durchstreiften – beginnend übrigens ungefähr zur Entstehungszeit von Regers Trio – die Puszta, hielten Volkslieder fest, die vorher völlig unbekannt waren und begründeten, indem sie diese Volkslieder zur Grundlage ihrer eigenen Kompositionen machten, die bis dahin nicht vorhandene ungarische Kunstmusik. Kodály erwarb sich mit einer wissenschaftlichen Arbeit über die Strophenbildung im ungarischen Volkslied sogar den Doktorgrad.
Sein Duo für Violine und Violoncello komponierte Kodály 1914 für den Geiger Imre Waldbauer und den Cellisten Jenő Kerpely. Er hat in dem Duo kein einziges Volkslied direkt zitiert, sondern die Melodien auf der Grundlage seiner Kenntnisse selbst erfunden.
Mit einer kadenzartigen Introduktion spielen sich die beiden Musiker ein und werfen einander dann ständig neue Motive zu, versuchen sogar, sich mit Kapriolen gegenseitig zu übertrumpfen. Der zweite Satz klingt wie ein schwärmerisches Fantasieren des jeweils melodieführenden Instruments. Im Mittelteil steigert Kodály mit Tremolos im Cello und großen Gesten der Violine das Geschehen ins Melodramatische. Zu Beginn des dritten Satzes fordert die Violine regelrecht zum Tanz auf. Am Schluss klingt dann im Verbunkos jene Musik der Roma-Kapellen an, die im 18. und 19. Jahrhundert für die Volksmusik Ungarns gehalten wurde.
Griegs g-Moll-Streichquartett
Sein Streichquartett g-Moll komponierte Edvard Grieg 1877/78 in der Abgeschiedenheit seines Komponierhäuschens am malerischen Hardangerfjord. Er eröffnet das Streichquartett durch eine langsame Einleitung, in der er das auf den Beginn seines Liedes „Spillemænd“ (op. 25) von 1876 zurückgehende Motto der gesamten Komposition vorstellt. Während seine Motivik in dem Oktavkanon zwischen Erster Violine und Bratsche des Hauptthemas nur ganz versteckt eingearbeitet ist, tritt es im Seitenthema deutlich und nach Dur gewendet hervor. In der Coda wird es zunächst augmentiert (worunter man in der Musik die Verlängerung der Notenwerte versteht) und dann wie als Stretta im Presto gesteigert. Das vom Violoncello vorgetragene Thema der „Romanza“ ist eine sehr entlegene Variante des Mottos, und auch in der Figur der Violine im Allegro-agitato-Abschnitt klingt es kurz an.
Im Hauptteil des dritten Satzes ist das Motto durch Synkopen vor allem rhythmisch variiert, im Trio zu der Melodie eines „Hallings“ umgestaltet, eines norwegischen Volkstanzes im 2/4-Takt. Grieg lässt hier sogar die Hardangerfidel anklingen, die neben den vier gestrichenen Spielsaiten noch weitere Resonanzsaiten aus Stahl oder Messing besitzt, die unter dem Griffbrett verlaufen und durch separate Öffnungen im Steg geführt werden. Auch den letzten Satz eröffnet eine langsame Einleitung. In ihr ist das Motto imitatorisch geführt und im Charakter wie als Innehalten vor dem Finale völlig verändert. Dann folgt ein Saltarello, ein italienischer Springtanz, der allerdings in norwegische Tracht gekleidet ist. In der Coda geht Grieg ein letztes Mal auf das Motto zurück.
Dass manchem Rezensenten das Werk zu schroff und „unquartettmäßig“ war, traf Grieg: „Ich hatte mein Bestes, mein Innerstes hineingelegt und traf lediglich auf Verhöhnung. Ich war so traurig, dass ich das Werk verbrennen wollte. Durch die Zeit jedoch habe ich Genugtuung erhalten.“ Liszt rühmte das Quartett als „vortrefflich“ – und dies sicher auch darum, weil die Vereinheitlichung der Motivik seinem eigenen kompositorischen Denken sehr verwandt ist. Debussy stellte seinem g-Moll-Quartett von 1893 sogar ein Motto voran, dessen erste vier Töne mit denen Griegs identisch sind.
Das Ensemble, das seit 1985 in unveränderter Besetzung spielt, wurde bereits ein Jahr nach seiner Gründung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit dem Ersten Preis beim Streichquartettwettbewerb in Evian 1986 international bekannt. Eberhard Feltz, György Kurtág und das LaSalle Quartett, hier vor allem Walter Levin, förderten das Quartett und wurden zu prägenden Mentoren. Sein umfangreiches Repertoire reicht von Haydn über Bartók und die Zweite Wiener Schule bis zu Neuer Musik. So spielte es unter anderem die Werke von Karl Amadeus Hartmann sowie das mehrstündige Quartett Nr. 2 von Morton Feldman, realisierte zusammen mit dem Arditti Quartett einen Rihm-Zyklus zur EXPO 2000 und brachte Kompositionen beispielsweise von Moritz Eggert, Frank Michael Beyer, Ian Wilson, Jörg Widmann, Mauricio Kagel, Erhard Grosskopf, Taner Akyol und Sven-Ingo Koch zur Uraufführung. Regelmäßig arbeitet das Vogler Quartett mit Künstlern wie Jörg Widmann, David Orlowsky, Salome Kammer, Jochen Kowalski, Tatjana Masurenko oder Oliver Triendl zusammen. In der Vergangenheit konzertierte es unter anderem auch mit Lynn Harrell, James Levine, Bernard Greenhouse, Boris Pergamenschikow und Menahem Pressler.
In den europäischen Musikzentren fühlen sich die vier Musiker ebenso zu Hause wie in den USA, Japan, Australien und Neuseeland. Seit 1993 veranstaltet das Vogler Quartett im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt eine eigene Konzertreihe, seit 2000 ebenfalls in Neubrandenburg. 2000 gründete das Ensemble das jährlich stattfindende Kammermusikfestival „Musik in Drumcliffe“ im irischen Sligo und übernahm 2002 die künstlerische Leitung der Kammermusiktage Homburg/Saar. Die Mitglieder des Vogler Quartetts unterrichten an den Hochschulen in Berlin, Frankfurt, Leipzig und Stuttgart und geben Meisterkurse für professionelle Quartette in Europa und Übersee. Als Nachfolger des Melos-Quartetts hatte das Vogler Quartett die Professur für Kammermusik an der Musikhochschule in Stuttgart inne. Im Bereich der Musikvermittlung ist es bei „Musik in Drumcliffe“ und seit 2005 bei den mehrfach ausgezeichneten Nordhessischen Kindermusiktagen tätig.
Anlässlich des 30-jährigen Quartettjubiläums erschien Anfang 2015 im Berenberg Verlag das Buch „Eine Welt auf sechzehn Saiten – Gespräche mit dem Vogler Quartett“. Die Diskographie des Ensembles umfasst Werke unter anderem von Brahms, Schumann, Schubert, Mendelssohn, Reger, Schulhoff, Hartmann, Klarinettenquintette von Mozart und Golijov mit David Orlowsky sowie ein Tango-Album mit dem Bandoneonisten Marcelo Nisinman. Die CD „Paris Days – Berlin Nights“ mit Ute Lemper und Stefan Malzew erhielt eine Grammy-Nominierung. Sukzessive entsteht eine Gesamtaufnahme der Dvořák-Quartette für das Label cpo (vier Doppel-CDs sowie das Klavierquintett op. 81 liegen bereits vor).
Anfang 2021 erschienen zwei neue Alben beim Label Capriccio mit Werken von Georgi Catoire (mit Oliver Triendl) und Grigori Frid (mit Elisaveta Blumina). Beide waren für den International Classic Award ICMA nominiert.