11.00 Uhr
Familienführung
Naji Hakim (*1955)
Bagatelle (Iveta Apkalna gewidmet)
Ērik Ešenvalds (*1977)
Fantasia (Iveta Apkalna gewidmet)
Dariusz Przybylski (*1984)
„Miroirs Mystiques“ (Iveta Apkalna gewidmet)
Pēteris Vasks (*1946)
„Hymnus“ (Iveta Apkalna gewidmet)
PAUSE
Johann Gottfried Müthel (1728 – 1788)
Fantasie F-Dur
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Pastorella F-Dur BWV 590
„Nun komm, der Heiden Heiland“ – Choralbearbeitung BWV 659
Chaconne aus der Partita für Violine solo d-Moll BWV 1004, für Orgel übertragen von Matthias Keller
„Bach und die Moderne“ möchte man als Überschrift dieses Konzertprogramms denken, mit dem Iveta Apkalna als Organistin in Residence die Orgelsaison 2023/24 im Konzerthaus Berlin eröffnet. Der Einsatz für das zeitgenössische Musikschaffen ist eine Leidenschaft, die im Zentrum der künstlerischen Interessen von Iveta Apkalna fest verankert ist. Im ersten Teil des heutigen Konzerts erklingen vier Werke, die von ihr uraufgeführt wurden und die auch ihr gewidmet sind. Ihre Verfasser stammen aus Lettland, Polen und Frankreich und gehören zudem verschiedenen Generationen an – dies alles kann einen gewissen Einblick in das gewaltige Spektrum der Musik geben, die die Künstlerin im Laufe ihrer jahrzehntelangen erfolgreichen Karriere zum Erklingen gebracht hatte.
Als Interpret, Komponist und Improvisator gehört Naji Hakim zu den prominentesten Vertretern der aktuellen französischen Orgelszene. Von 1993 bis 2008 war er Titularorganist an der Pariser Kirche La Trinité – als direkter Nachfolger des 1992 verstorbenen Olivier Messiaen. 1955 in Beirut geboren, erhielt er seine musikalische Ausbildung am Pariser Konservatorium, ergänzt durch zusätzliche Studien bei Jean Langlais. 1985-93 war er Organist an der Pariser Kirche Sacré-Cœur auf dem Montmartre-Hügel. Außerdem unterrichtete er als Professor am Konservatorium von Boulogne und an der Londoner Royal Academy of Music. Sein Auftreten im Konzerthaus Berlin im Mai 2009 – im Rahmen einer Orgelstunde – ist den Konzertbesuchern noch in guter Erinnerung!
Der „Bagatelle“ (dies soll eigentlich „Kleinigkeit“ bedeuten ...) aus dem Jahre 1997, die Naji Hakim zum Weihnachtsfest mit einer sehr herzlich gehaltenen persönlichen Widmung der Interpretin schenkte, liegt eine lettische Volksweise zugrunde, so dass jede Aufführung dieses Stückes auch als ein Gruß aus ihrer Heimat zu verstehen ist.
1977 in Priekule (Lettland) geboren, studierte Ēriks Ešenvalds zunächst am Lettischen Baptistisch-Theologischen Seminar und absolvierte dann die Kompositionsklasse von Selga Mence in der Lettischen Musikakademie in Riga. Meisterkurse bei Michael Finnissy, Klaus Huber, Philippe Manoury und Jonathan Harvey ergänzten seine Ausbildung. In den Jahren 2002-11 gehörte er außerdem dem Staatlichen Chor „Latvija“ an. Im Jahre 2011 konnte er eine zweijährige Fellowship am Trinity College zu Cambridge antreten. Derzeit unterrichtet er Komposition an seinem einstigen Studienort, der Lettischen Musikakademie in Riga.
Die Chormusik – sowohl für professionelle Spezialensembles als auch für die breite Laienchor-Bewegung, für die die drei baltischen Staaten besonders berühmt ist – bildet einen gewichtigen Schwerpunkt im kompositorischen Schaffen von Ēriks Ešenvalds, dessen Werke mehrfach mit wichtigen internationalen Kompositionspreisen ausgezeichnet wurden. Klangkörper im In- und Ausland sowie renommierte Musikfestivals gaben neue Werke in Auftrag. Für Iveta Apkalna hatte er bereits mehrere Werke geschrieben, sowohl für Orgel solo als auch für Orgel und Orchester. 2019 brachte sie (gemeinsam mit der Kremerata Baltica) das Konzert „Okēana balss“ (Stimme des Ozeans) für Orgel, Streichorchester und Schlagzeug im Konzerthaus zur Aufführung.
Ēriks Ešenvalds‘ Orgelfantasie operiert dagegen mit einfachstem Grundmaterial: Auf mehreren Ebenen wird ein Akkord-Ostinato aufgebaut, zuweilen umspielt von einer deklamatorisch-freien Solostimme, und kehrt nach kurzer klanglicher Steigerung bis zum vollen Werk schließlich wieder in die diffuse Stimmung des Beginns zurück.
Geboren 1984 in Konin (Warthe), erhielt Dariusz Przybylski seine musikalische Ausbildung an den Musikhochschulen von Warschau, Köln und Karlsruhe, unter anderem bei Marcin Błażewicz, York Höller und Wolfgang Rihm (Komposition), Andrzej Chorosiński und Johannes Geffert (Orgel). Seine künstlerische Ausbildung ergänzte er im Fachgebiet Musikwissenschaft durch Promotion und Habilitation. Sein kompositorisches Schaffen – von Oper und Sinfonik bis zu Werken für Soloinstrumente und Kammermusik verschiedener Besetzung – wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet.
Das Orgelwerk „Miroirs Mystiques“ (Mystische Spiegelbilder) ist das jüngste Werk des heutigen Programms, es entstand als Kompositionsauftrag für die Festwoche zur Einweihung der neuen Konzertsaalorgel in Katowice und wurde dort von Iveta Apkalna, der das Werk auch gewidmet ist, am 22.1.2023 im Rahmen eines Rezitals zur Uraufführung gebracht.
1946 in Aizpute (Lettland) als Sohn eines Pfarrers geboren, hatte Pēteris Vasks zunächst Kontrabass in Vilnius studiert und war danach in mehreren litauischen und lettischen Sinfonie- und Kammerorchestern tätig. In den Jahren 1973-78 ergänzte er seine musikalische Ausbildung durch ein Kompositionsstudium an der Jāzeps-Vītols-Musikakademie Riga bei Valentin Utkin. Ab 1989 hatte der heute freischaffend lebende Künstler eine Dozentur für Komposition an der Rigaer Musikakademie inne.
Das Orgelwerk „Hymnus“, das Iveta Apkalna gewidmet ist und in einer Spieldauer von ca. 15 Minuten als eine strahlende E-Dur-Apotheose ein breites Spektrum von Emotionen und Klängen durchmisst, wurde im Frühjahr 2019 in der Walt Disney Hall in Los Angeles uraufgeführt.
Die kontrastreichen und leidenschaftlich-wilden Orgelfantasien Johann Gottfried Müthels repräsentieren auf eindrückliche Weise die Schülergeneration des großen Thomaskantors.
1728 in Mölln geboren, kam Johann Gottfried Müthel 1750 als Stipendiat der Schweriner Hofkapelle nach Leipzig und wurde hier Johann Sebastian Bachs letzter Schüler. Nach Bachs Tod nahm sich dessen Schwiegersohn Johann Christoph Altnickol, seit 1748 als Organist an St. Wenzel in Naumburg bestallt, für einige Monate seiner an. Mit Carl Philipp Emanuel Bach stand Müthel später in regem Briefkontakt. Ab 1853 war er in Riga ansässig, 1767 wurde er schließlich als Organist an St. Petri bestallt, neben dem Dom die Hauptpfarrkirche der Stadt.
Wie andere Orgelwerke Müthels ist auch die Fantasie F-Dur autograph überliefert – als Teil eines Sammelbandes „Technische Übungen“ (was allerdings nicht wörtlich zu nehmen ist!), der in der Berliner Staatsbibliothek als kostbarer Schatz gehütet wird. Was hätte der alte Bach wohl zum Werk seines letzten Schülers gesagt, dessen Stil der strengen Polyphonie und rhythmischen Fixierung völlig abgesagt zu haben scheint? Das Werk ist ohne Taktstriche aufgezeichnet, verzichtet auf stringente Stimmführung und ist stattdessen unbändig virtuos für Hände und Füße gestaltet. Aber diese Frage ist hier unangebracht: Wir fragen auch nicht nach der Meinung des Vaters zum Werk seiner Söhne Carl Philipp Emanuel oder Johann Christian, und doch hatten sie mit ihren wegweisenden stilistischen Neuerungen die Musik von Grund auf verändert ...
Die Ursachen für diese Irritationen lagen einerseits in dem Sujet begründet, ein archaisches Opferritual, um den Gott des Frühlings günstig zu stimmen, aufgrund dessen man Strawinsky blanken Sadismus vorwarf. Andererseits war es aber auch die Musik dieses Jahrhundertwerks, die zunächst auf Unverständnis stieß, vor allem deshalb, weil das rhythmische Element nicht nur neben Melodik und Harmonik gleichberechtigt behandelt wird, sondern den Grundklang der Musik und damit die gesamte Komposition bestimmt. Dass Strawinsky mit komplexesten Mitteln denkbar einfache Klangformeln erzeugte, erregte die Gemüter – wenn auch nicht lange, da das revolutionäre Werk bereits im April 1914 bei einer konzertanten Aufführung seinen endgültigen Durchbruch erlebte. Einer, der diesen Erfolg vorhergesehen hatte, war der Kritiker Jacques Rivière. Bereits im November 1913 schrieb er in der „Nouvelle Revue Française“: „Strawinsky sagt uns, dass er das Aufbranden des Frühlings schildern wollte. Aber dies ist nicht der übliche, von Dichtern besungene Frühling mit seinen linden Düften, seinem Vogelgezwitscher, seinem hellblauen Himmel und zarten Grün. Hier ist nichts als der erbarmungslose Kampf des Wachsens, das panische Entsetzen vor den aufsteigenden Säften, die beängstigende Umgruppierung der Zellen. Frühling von innen gesehen, mit all seiner Heftigkeit, seinen Spasmen und Rissen. Es ist, als beobachteten wir ein Drama unter einem Mikroskop.“
In seinen letzten Lebensjahren stellte Bach eine größere Sammelhandschrift von Weimarer Orgelchorälen zusammen – dieser kostbare Band, der in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt wird, enthält neben diesen „Siebzehn Chorälen“ noch die sechs Orgeltriosonaten (gleichsam Bachs „Hohe Schule des Orgelspiels“), die Spätfassung der „Kanonischen Veränderungen“ BWV 769 sowie die Fassung letzter Hand „Vor deinen Thron tret ich hiermit“ BWV 668, auch dies die Überarbeitung einer Weimarer Komposition.
Martin Luthers Übersetzung des altkirchlichen Adventshymnus „Nun komm, der Heiden Heiland“ hatte Bach in der Sammlung der 17 großen Leipziger Choräle insgesamt dreimal bearbeitet – im heutigen Konzert erklingt mit BWV 659 eine meditative Lesart dieser Vorlage, die die Liedweise ausdrucksvoll verziert im Diskant führt.
Die Form der Pastorali (Hirtenmusiken) leitet sich ab von der Musik der Pifferari der Abruzzen oder Kalabriens (abgeleitet von Piffero – Schalmei), die – wie es dem Brauch entsprach – zwischen dem 1. Adventssonntag und dem Weihnachtsfest nach Rom zogen, um dort zur Erinnerung an ihre legendären biblischen Berufskollegen vor den Bildern der Muttergottes in den römischen Kirchen zu musizieren. Ihre Musik, ihre charakteristischen Instrumente wie Schalmei und Dudelsack wurden stilisiert, zu höchstem Kunstanspruch erhoben.
Auch die viersätzige Pastorella für Orgel von Johann Sebastian Bach bedient sich im 1. Satz (mit seinen Orgelpunkten) der musikalischen Attribute der Hirten: Dudelsack und Schalmei. Auf den Eröffnungssatz, der zwei Stimmen über einem Pedal-Orgelpunkt sich entfalten lässt, folgen drei Manualiter-Sätze, die das Werk suitenartig runden – der zweite nach Art einer Allemande in C-Dur, dann eine Aria in ruhigem c-Moll, schließlich als bewegter Schlusssatz eine Gigue, wieder in der Ausgangstonart F-Dur.
Von Johann Sebastian Bach als Klavier- und Orgelvirtuosen kann sich selbst der Hörer der Gegenwart eine ungefähre Vorstellung machen: Zwar sind die vielgerühmten Bachschen Improvisationen für immer verklungen, aber Bachs Spielkunst spiegelt sich natürlich auch in den überlieferten Werken, deren Schwierigkeit auch für den heutigen, in der Regel technisch gut ausgebildeten Interpreten eine besondere Herausforderung darstellt. Über Bach als Violinvirtuosen wussten bereits die Zeitgenossen nur wenig zu berichten. Als Sohn eines Stadtpfeifers und Hofmusikus begann jedoch seine musikalische Unterweisung zweifellos zuerst auf den Streichinstrumenten, und das bereits mit diesem Anfangsunterricht angestrebte Berufsbild war das eines vielseitig einsetzbaren Musikers, der mehrere Instrumente zu spielen in der Lage war, diese jedoch nicht unbedingt mit virtuoser Perfektion.
Als eine Reinschrift gibt das kostbare, heute in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrte Autograph aus dem Jahre 1720 jedoch keine Hinweise auf den Entstehungsprozess und die Entstehungszeit dieser beeindruckenden Werke. Wohl aber lässt sich aus der außergewöhnlichen Sorgfalt und Mühe des Komponisten für diese Handschrift schließen, wie sehr ihm diese Werke am Herzen lagen. Sollte die großartige Chaconne mit ihrem an französische Tombeau-Kompositionen erinnernden diatonisch absteigenden Ostinato-Motiv gar ein Epitaph für Bachs im Juli 1720 verstorbene junge Frau Maria Barbara sein?
Das kostbare Autograph in seiner graphischen Vollkommenheit und Makellosigkeit wirft weitere Fragen auf: Ist aus dieser Handschrift je musiziert worden und, wenn ja, von wem? Zum Beispiel von Bach selbst? Bach spielte Streichinstrumente in professioneller Qualität, aber war er ein ausgewiesener Virtuose auf der Violine? Immerhin verraten die Sonaten und Partiten eine innige Vertrautheit mit den technischen Möglichkeiten der Violine, aber wenn Bach diese Werke wirklich hat spielen können, warum ist er dann nicht Geiger geworden? (Diese etwas respektlose Frage sei an dieser Stelle erlaubt …)
Doch ist durch Berichte von Schülern verbürgt, dass Bach diese Violin-Soli tatsächlich gespielt hat – allerdings auf dem Tasteninstrument, und dann nahm sich der Meister auch das Recht, die Harmonie mitunter etwas vollgriffiger auszuführen. Bachs Schüler Johann Friedrich Agricola überlieferte zum Beispiel: „Ihr Verfaßer spielte sie selbst auf dem Clavichorde, und fügte von Harmonie so viel dazu bey, als er für nöthig befand.“
Bachs Chaconne wurde späterhin in zahlreichen Bearbeitungen für Klavier oder Orgel – etwa von Ferruccio Busoni, Wilhelm Middelschulte oder Arno Landmann – dem romantischen Tastenrepertoire erschlossen. Im heutigen Konzert bringt Iveta Apkalna jedoch die 2011 erschienene Orgelbearbeitung des Münchner Organisten Matthias Keller zur Aufführung, die sich dem Violinwerk auf der Basis der originalen Orgelwerke Bachs nähert – und gerade mit dieser stilistischen Ausrichtung eine Kombination mit anderen Orgelwerken geradezu herausfordert.
Die lettische Organistin Iveta Apkalna gilt als eine der führenden Instrumentalistinnen weltweit. Mit der Saison 2021-2022 begann Iveta Apkalnas dreijährige Tätigkeit als Organistin in Residence im Konzerthaus Berlin. Mit dem Konzerthausorchester Berlin brachte sie im Rahmen dieser Residenz inzwischen das Orgelkonzert von Francis Poulenc sowie die Orgelsinfonie von Aaron Copland zur Aufführung. Zuvor hatte sie bereits mehrmals mit diesem Klangkörper unter verschiedenen Dirigenten musiziert, zum Beispiel im Rahmen einer Tournee durch die Hauptstädte der drei baltischen Republiken in deren Jubiläumsjahr 2018.
Seit ihrem Konzert mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado 2007 tritt sie mit weltweit führenden Orchestern unter der Leitung bedeutender Dirigenten auf. Als Titularorganistin der Klais-Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie eröffnete Iveta Apkalna das neue Konzerthaus im Januar 2017. Im September 2018 veröffentlichte das Label Berlin Classics die CD „Light & Dark“, die Welterstaufnahme eines Solo-Programms an der Elbphilharmonie-Orgel. Seit 2019 ist sie außerdem Artist in Residence der Konzertkirche Neubrandenburg, deren Instrument 2017 von der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke und Johannes Klais Orgelbau aus Bonn in Zusammenarbeit mit Iveta Apkalna entwickelt und von ihr eingeweiht wurde. An dieser Orgel nahm sie 2020 ein Album mit Werken von Vasks, Bach und Liszt auf. Im April 2023 wurde die neue CD „Oceanic“ mit Werken für Orgel und Orchester, aufgenommen im Konzerthaus Stavanger mit dem dortigen Sinfonieorchester, bei Berlin Classics veröffentlicht.
Im Januar 2023 hat sie die neue Orgel im Konzerthaus des Polish National Radio Symphony Orchestra (NOSPR) in Katowice mit der Uraufführung eines neuen Werkes von Esa-Pekka Salonen für Orgel und Orchester eingeweiht. Rezitale fanden in der Saison 2022/23 unter anderem im Konzerthaus Dortmund, in der Elbphilharmonie Hamburg, der Royal Festival Hall London, im Konzerthaus Wien, in Los Angeles, in Montréal und Lyon statt. Hervorzuheben ist ihr leidenschaftlicher Einsatz für zeitgenössische Musik, der in zahlreichen Uraufführungen von häufig auch ihr gewidmeten Werken seinen Ausdruck findet.
Iveta Apkalna erhielt mit dem Drei-Sterne-Orden Lettlands die höchste staatliche Auszeichnung des Landes, wurde viermal mit dem Latvian Grand Music Award ausgezeichnet und zur Kulturbotschafterin Lettlands ernannt. Als erste Organistin überhaupt erhielt sie 2005 einen ECHO Klassik in der Kategorie „Instrumentalistin des Jahres”. Der Fernsehsender Arte widmete ihr 2008 die Dokumentation „Tanz auf der Orgel“.
Ja, und zwar nicht wegen ihrer Größe und des Volumens, sondern weil die Orgel so viele Klangfarben und Register vereint. Viele Dirigenten haben übrigens ziemlichen Respekt davor, gleichzeitig vor einer Orgel und einem Sinfonieorchester zu stehen. Andere mögen grade diese Situation gern: Zwei Orchester auf einmal zu dirigieren, das ist eine Provokation im positiven Sinne!
Ich spiele wo immer möglich neben dem Dirigenten an einem Freispieltisch, ähnlich wie eine Pianistin. Manche Kollegen sitzen lieber weiter weg, aber mir ist diese physische Nähe wichtig. Nicht nur wegen des Klangs, sondern auch, weil man so den Orchestermitgliedern in die Augen schauen und zusammen atmen kann. Im Zusammenspiel mit ihnen habe ich an der Orgel mehrere Rollen – mal bin ich Solistin, mal Kammermusikpartnerin, mal virtuose Kadenzspielerin. Das ist wie in einem Schauspiel. Dabei muss ich immer beachten, dass der Orgelklang mit gewisser Verspätung kommt. Wie das genau ist, muss ich in jedem Saal neu berechnen oder besser gesagt intuitiv erfassen.
Meine eigenen Vorbereitungen an der Orgel sind intensiv und dauern etliche Stunden. Als Organistin hat man nur eine sehr kurze Beziehung zu jedem Instrument, bevor man es wieder zurücklässt. Weil ich aber schon an vielen Orten gespielt habe, habe ich eine Art innerer Orgelkartothek und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit Instrumenten und Sälen zurückgreifen. Ich fühle mich wie eine Komponistin mit einer Partitur, die ein Werk instrumentiert, denn die Klangfarben und Register stehen nie in den Noten. Ich wähle sie auf jeder Orgel vorher aus und speichere sie dann elektronisch, wenn das technisch möglich ist. Das ist die Vorarbeit.