13.00 Uhr
Führung durch das Konzerthaus Berlin
Kammermusik des Konzerthausorchesters Berlin
Lera Auerbach Klavier
Yuan Yu Flöte
Suyoen Kim Violine
Andreas Feldmann Violine
Nilay Özdemir Viola
Stefan Giglberger Violoncello
Igor Prokopets Kontrabass
Programm
Lera Auerbach (geb. 1973)
„Monolog“ für Kontrabass solo
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Konzert für Klavier und Orchester d-Moll KV 466, für Klavier, Flöte und Streichquintett bearbeitet von Carl Czerny
Allegro
Romance
Rondo. Allegro assai
PAUSE
Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Quintett für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass G-Dur op. 77
Allegro con fuoco
Scherzo. Allegro vivace
Poco andante
Finale. Allegro assai
Dieses größte der Streichinstrumente, das manchmal fünf statt nur vier Saiten hat, das im Bereich des Fast-nicht-mehr-Wahrnehmbaren spielen kann, das manche Fahrrad fahrend auf dem Rücken balancieren, andere auf einer kleinen Sackkarre hinter sich herziehen. Das schwerfällig wirkt und es doch gar nicht ist. Das einen fast siebenminütigen Monolog facetten- und abwechslungsreich gestalten kann. Vorhang auf!
Ein ganzes Orchester, eingedampft auf jeweils eine Vertreterin oder einen Vertreter pro Stimme – klingt nach einer Spielerei, die Mozart sicherlich gefallen hätte, oder? Aber bei seinem beliebten Klavierkonzert KV 466, dem ersten in Moll, das später als das „Sinfonische“ unter den Klavierkonzerten bezeichnet werden sollte? Wo jede einzelne Note eigentlich nach der großen Opernbühne ruft, und wo so mancher schon den erst zwei Jahre später erschaffenen Don Giovanni um die Ecke plinkern sieht?
Mozart schöpfte bei diesem Klavierkonzert so hörbar aus den Vollen, ging keiner Dramatik aus dem Weg, verlor sich nicht in vermeintlich seichtem Geplänkel, dass es nur schwer vorstellbar ist, dass er dieser Bearbeitungsidee von Carl Czerny so ohne weiteres zugestimmt hätte. Andererseits war er immer für eine Überraschung gut und Spielereien generell – wie bereits erwähnt – nicht abgeneigt.
Er mochte Freiheiten und legte im Notentext nicht jedes Detail fest. Im finalen Rondo des Konzerts beispielsweise improvisierte Mozart die „Eingänge“ vor der Wiederkehr des Themas immer anders. Und das tun seitdem auch die Pianistinnen und Pianisten, die dieses Werk auf dem Pult liegen haben. Bei der Uraufführung des Konzerts während einer seiner Akademien im Wiener Burgtheater, mit denen Mozart potenzielle Geldgeber für sich begeistern wollte, war das Rondo fürs Soloklavier noch gar nicht notiert, sondern wurde von ihm komplett frei „extemporiert“. Ein kleiner Spaß am Rande, der zumindest Mozart provokatorische Freude bereitete und das Publikum nicht weniger begeisterte.
Mozarts Vater, der zum ersten Mal eine der Akademien seines Sohnes besuchte, schrieb später an seine Tochter: „Dein Bruder spielte ein herrliches Konzert… Ich hatte das Vergnügen, alle Abwechslung der Instrumente so trefflich zu hören, dass mir … die Tränen in den Augen standen. Als Dein Bruder wegging, machte ihm der Kaiser mit dem Hut in der Hand ein Kompliment und schrie: ‚Bravo, Mozart‘!“
Carl Czerny wurde sechs Jahre später in Mozarts Sterbejahr 1791 geboren. Er wuchs sicherlich mit vielen Geschichten über das berühmte, viel zu früh verstorbene Wunderkind auf, dessen Werke weiterhin überall zu hören waren. Das d-Moll-Konzert KV 466 jedenfalls wurde zu einem Lieblingswerk vieler Pianisten, allen voran Ludwig van Beethoven, der die ersten Kadenzen für den Eröffnungssatz komponierte. Auch Hummel, Mendelssohn, Brahms, Clara Schumann, Rubinstein und Busoni schrieben Solokadenzen zu diesem Konzert.
Die gekonnte Abwechslung der Instrumente kann man in Czernys Version selbstverständlich auch optimal hören, mit einer leichten, natürlichen Bass-Lastigkeit, die an diesem Konzertabend im Kleinen Saal gut passt.
Eine Bass-Lastigkeit fand Antonín Dvořák für sein Streichquintett in G-Dur offenbar auch erstrebenswert. Er komponierte es zur gleichen Zeit wie seine 5. Sinfonie und die Serenade für Streichorchester knapp 90 Jahre nach Mozart als eine Art solistische Streichersinfonie. Der 34-Jährige machte sich derzeit in den Prager Musikkreisen einen Namen mit seiner „böhmischen“ Art, nachdem Dvořák sich in den Jahren zuvor vor allem durch die Musiksprachen von Liszt und Wagner gearbeitet hatte. So richtig erfolgreich war das nicht gewesen, der Durchbruch kam interessanterweise erst mit dem „Böhmischen“.
Im Quintett kann man noch beides hören: Ein bisschen Tannhäuser hier, ein wenig slawische Wirtshausmusik dort. Dvořák schrieb es, um das Werk beim Kammermusikwettbewerb einer Prager Organisation namens „Künstlerischer Kreis“ einzureichen, und gewann damit den 1. Preis. Die Jury lobte seine „thematische Differenziertheit, technische Fertigkeit in der polyphonen Komposition und Beherrschung der Form“ sowie seine „Kenntnis der Instrumente“.
Kurz zuvor hatte Dvořák zum ersten Mal ein Stipendium aus Österreich erhalten, das ihm auch noch in den folgenden Jahren ein sicheres Einkommen bringen sollte. Aber nicht nur das, es saß vor allem ein gewisser Johannes Brahms in der Auswahljury, der so begeistert von dem nur acht Jahre jüngeren Komponistenkollegen war, dass er ihm 1877 einen Verlagsvertrag mit Fritz Simrock verschaffte.
Dieser veröffentlichte schließlich auch das Streichquintett mit dem besonderen Kontrabass-Einsatz, allerdings erst 1888 und mit der hohen Opus-Zahl 77. Dvořák ärgerte sich darüber, weil er nicht wollte, dass das Publikum seine jugendlichen Werke mit den reifen Kompositionen verwechselte. Das soll das Quintett in G-Dur mit den ursprünglich fünf Sätzen – Dvořák nahm kurz vor der Veröffentlichung einen langsamen Satz heraus und machte daraus ein Nocturne – allerdings nicht in Diskredit bringen. Es ist ein äußerst ausgewogenes, ausgereiftes Werk, das sowohl Musizierenden als auch Hörenden Spaß macht. Und daran ist der Kontrabass nicht ganz unbeteiligt.
wurde in Tscheljabinsk (Sowjetunion) geboren, lebt seit 1991 in den USA und hat seit 2021 auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie studierte an der New Yorker Juilliard School Klavier und Komposition sowie Literaturwissenschaft an der Columbia University und legte 2002 ihr Konzertexamen an der Musikhochschule Hannover ab. Ihr umfangreiches Werkverzeichnis umfasst nahezu alle Gattungen von Kammer- und Orchestermusik bis hin zu Oper und Ballett und wird weltweit von namhaften Interpreten aufgeführt. Zunehmend steht sie als Dirigentin auf der Bühne. Auch als Dichterin ist Lera Auerbach hervorgetreten; 1996 erkor sie die Internationale Puschkin-Gesellschaft zur „Schriftstellerin des Jahres“. In dieser Saison zeichnet das Konzerthaus Berlin ein „Creative Portrait“ der Künstlerin.
www.leraauerbach.com
stammt aus Beijing, hat in Paris bei Sophie Cherrier sowie in München bei Andrea Lieberknecht studiert und ist Preisträger großer internationaler Wettbewerbe (Krakow 2017, Kobe 2019: 1. Preis; Prag 2019, Genf 2023: 2. Preis). 2018 erhielt er den „Discovery Award of the International Classical Music Awards (ICMA)“. Nach einem Engagement als Solo-Flötist der Hong Kong Sinfonietta ist er nun in gleicher Position beim Konzerthausorchester Berlin.
ist Erste Konzertmeisterin des Konzerthausorchesters Berlin. Sie wurde in Münster geboren und studierte in ihrer Heimatstadt bei Helge Slaatto, in München bei Ana Chumachenco sowie an der Kronberg Academy. Seit 2018 ist sie Mitglied des Konzerthausorchesters, ab 2019 außerdem Mitglied im Artemis Quartett. Sie ist Gewinnerin des Internationalen Violinwettbewerbs Hannover (2006) und Preisträgerin des Brüsseler Königin-Elisabeth-Wettbewerbs (2009). Als Solistin ist Suyoen Kim mit diversen renommierten Orchestern in Europa, Asien und Südamerika aufgetreten. Sie ist Mitglied im aktuellen Künstlerischen Beirat.
wurde in Fulda geboren und absolvierte sein Studium an der Universität der Künste Berlin. Seit 2018 ist er Mitglied im Konzerthausorchester Berlin und spielt außerdem im Konzerthaus Kammerorchester. Als Preisträger zahlreicher Wettbewerbe spielte er solistisch mit Orchestern wie den Göttinger Symphonikern, der Thüringischen Philharmonie oder der Philharmonie Südwestfalen und tritt regelmäßig kammermusikalisch bei großen Festivals auf. Andreas Feldmann ist Mitglied des aktuellen Orchestervorstands.
wurde im türkischen Antalya geboren. Die Stellvertretende Solo-Bratscherin studierte in Leipzig bei Tatjana Masurenko, in Paris bei Jean Sulem und in Berlin bei Tabea Zimmermann an der Hochschule für Musik Hanns Eisler sowie aktuell an der Universität der Künste bei Hartmut Rohde. Seit 2019 ist sie Mitglied im Konzerthausorchester Berlin, außerdem spielt sie am Konzerthaus im Quartett Polaris. Sie war Stipendiatin der Kurt-Sanderling-Akademie des Konzerthausorchesters. Nilay Özdemir war zu Gast beim Krzyzowa Kammermusik Festival und Stipendiatin verschiedener renommierter Akademien (Verbier Festival, Kronberg, Seiji Ozawa).
studierte in seiner Heimatstadt München sowie in Saarbrücken und ist Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe. Der Solo-Cellist ist seit 1997 Mitglied des Konzerthausorchesters Berlin. Er widmet sich einer umfangreichen Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker im In- und Ausland. Stefan Giglberger lehrt an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und als Dozent auf internationalen Festivals.
wurde im weißrussischen Minsk geboren. Er studierte in Berlin an der Musikhochschule Hanns Eisler bei Barbara Sanderling sowie an der Universität der Künste bei Mikhael B. Wolf. Seit 2007 ist er Mitglied des Konzerthausorchesters Berlin, außerdem spielt er im Konzerthaus Kammerorchester, mit dem er auch als Solist zu erleben ist. Igor Prokopets ist Mitbegründer und Dozent der Mecklenburger Schlossakademie, unterrichtet die Kontrabass-Stipendiaten der Kurt-Sanderling-Akademie des Konzerthausorchesters und gibt Meisterkurse in Deutschland, Österreich und China. Igor Prokopets ist Mitglied des aktuellen Orchestervorstands.
Kleine Ursachen, große Wirkung – was trägt bei zu gutem Klang, haben wir Musikerinnen und Musiker des Konzerthausorchesters Berlin gefragt. In der ersten Folge begleiten wir Petr Matěják aus unseren Ersten Geigen zu seinem Bogenbauer Petr Auředník, der seine Werkstatt in der Nähe von Prag hat.