Konzerthaus Kammerorchester

By Felix Kriewald Jan. 24, 2024

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Inhalt

Konzerthaus Kammerorchester
Tobias Feldmann Leitung und Violine

Programm

Robert Fuchs (1847 – 1927)
Serenade für Streichorchester Nr. 2 C-Dur op. 14
Allegretto
Larghetto
Allegro risoluto
Finale: Presto

 

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo E-Dur BWV 1042
Allegro
Adagio
Allegro assai

 

PAUSE
 

Leoš Janáček (1854 – 1928)
„Idyll“ für Streichorchester
Andante
Allegro
Moderato
Allegro
Adagio
Scherzo – Trio
Moderato

Der Vergessene

Über Nacht zum Star wurde der erst zwanzigjährige Robert Fuchs mit seiner ersten Serenade für Streichorchester im Jahr 1874, die ihm sogleich den griffigen Spitznamen „Serenaden-Fuchs“ einbrachte. Um an diesen durchschlagenden Erfolg anzuknüpfen und seinem Namen gerecht zu bleiben, schrieb er 1876 die zweite Serenade in C-Dur, die mit ihrer espritvollen Klangsprache nicht minder begeisterte. Eingebettet in drei spritzige, schnelle Sätze tritt das romantisch verträumte Larghetto als Herzstück des Werks hervor. Damit zementierte Fuchs endgültig seinen Ruf als Meister der Serenade – zum Leidwesen seiner anderen Werke werden die insgesamt fünf Serenaden heute wesentlich häufiger aufgeführt als beispielsweise seine drei Sinfonien. Zu Lebzeiten genoss Fuchs hohes Ansehen von Kritikern und Kollegen, die wichtigsten Dirigenten seiner Zeit wie Arthur Nikisch und Hans Richter und sogar der ewige Griesgram Johannes Brahms hatten nichts als lobende Worte für ihn übrig. Dennoch geriet Fuchs als Komponist nach seinem Tod 1927 schnell in Vergessenheit, eine neue Generation von Genies verdrängte ihn von den Spielplänen. Daran war er selbst nicht ganz unschuldig, konnte er sich doch als Lehrer einen großen Namen machen: zu seinen Schülern zählten unter anderem Gustav Mahler, Jean Sibelius, Richard Strauss und Erich Wolfgang Korngold.

Nur ein Zwischenschritt?

Obwohl Johann Sebastian Bachs drei Violinkonzerte zum Standardrepertoire für Geiger*innen zählen, ist über ihre Entstehung nur wenig bekannt. Klar ist, dass sie im Zeitraum zwischen 1719 und 1730 entstanden sind, also entweder zu Bachs Zeit in Köthen oder Leipzig, wo er ab 1723 als Thomaskantor wirkte. Bach nahm sich die Violinkonzerte Vivaldis zum Vorbild, zeigte aber schon deutlich progressivere Ansätze, indem er die strengen Wechsel aus Soli und Ritornell aufweichte und flüssigere Übergänge zwischen den beiden Parteien ermöglichte. So schält sich immer wieder organisch die Solostimme aus dem Tuttiklang heraus und tritt subtil in den Vordergrund. Das zeigt sich eindrucksvoll im ersten Satz des Violinkonzerts E-Dur, das mit seinem markanten Dreiklangsthema aus der Geigenliteratur nicht wegzudenken ist. Im zweiten Satz entfaltet Bach eine Passacaglia, mit einer wiederkehrenden Basslinie in cis-Moll, auf die sich wunderbar zart die Sologeige legt und mit einer unvergleichlich gesanglichen Melodie erzählerisch durch das Geschehen führt. Hier steht der Solopart eindeutig im Mittelpunkt. Das Finale ist schließlich ein formell eher schlicht gehaltenes Rondo, das aber für die Sologeige noch einmal so manche technische Tücke bereithält. Alle drei seiner Violinkonzerte arbeitete Bach später zu Cembalokonzerten um, besonders spannend ist dabei die Tatsache, dass er dafür den Basso continuo abschaffte – ein musikhistorisch äußerst bedeutsamer Schritt. Daher wird von manchen Musikwissenschaftler*innen angenommen, dass Bach die Stücke immer schon als Cembalokonzerte konzipiert hatte und die Violinkonzerte nur als experimenteller Zwischenschritt entstanden sind – quasi ein musikalischer Schmierzettel.

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Das Verschollene

Parallel zu Robert Fuchs versuchte sich auch der junge Leoš Janáček an Musik für Streichorchester, seinerseits jedoch inspiriert von seinem Landsmann Antonin Dvorak. Bislang hatte er ausschließlich Werke für Orgel oder Chor komponiert, mit seiner Streicherserenade von 1877 wagte er sich erstmals an eine größere Besetzung. Darauf folgte sein „Idyll“, entstanden zunächst 1878 als fünfsätziges Werk während eines Aufenthalts im bayerischen Oettingen, wo er als Organist gastierte. 1880 fügte er schließlich noch zwei weitere Sätze hinzu. Janáček selbst bezeichnete das Stück noch vor seiner Endfassung in einem Brief an seine spätere Ehefrau als „überholt“ und hörte entmutigt für die nächsten zehn Jahre auf, für Orchester zu komponieren, bis er 1890 mit den Lachischen Tänzen eines seiner erfolgreichsten Werke schrieb. Nach seiner Uraufführung 1880 verschwand das „Idyll“ und wurde erst 1938 wiederentdeckt – heute genießt es einen viel höheren Status, als sich Janáček je hätte träumen lassen. Auch wenn es vielleicht noch nicht die kompositorische Reife beweist, die Janáček später vor allem in seinen Opern demonstriert, darf man das „Idyll“ nicht als Jugendwerk abstrafen. Es bietet bereits bemerkenswerten Reichtum an Klangfarben und Empfindungen und in seiner Siebensätzigkeit höchst abwechslungsreiche Passagen. Auch an Innovation mangelt es nicht – im dritten Satz setzt er Einschübe im damals noch kaum verwendeten 5/4-Takt, um eine Bootsfahrt auf dem Starnberger See zu vertonen. Außerdem wurde dem Werk sogar die Ehre zuteil, als Filmmusik verwendet zu werden: der träumerische fünfte Satz erklingt im Film „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von 1988. Im Finale arbeitet Janáček geschickt mit Kontrapunkt und schafft spätromantische Dramatik auf engstem Raum – alles in allem ist das „Idyll“ ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum Genre Streichorchestermusik.

Das 2009 von Musikern des Konzerthauses gegründete Konzerthaus Kammerorchester besteht fast ausschließlich aus Mitgliedern des Konzerthausorchesters Berlin und kommt ohne Dirigenten aus. Der demokratisch organisierte Klangkörper hat einen festen Platz in der Konzertsaison des Hauses und tritt wiederholt auf internationalen Podien in Erscheinung. So führten mehrere Konzertreisen das Ensemble beispielsweise in die Türkei, nach Holland und nach Japan.

Mehrere CD-Einspielungen sind erschienen, darunter mit dem Geiger Daniel Hope aus der Reihe „Recomposed by Max Richter“ die „Vier Jahreszeiten“ nach Antonio Vivaldi, ausgezeichnet mit dem „Echo Klassik“ 2013. Das Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf Werke für Streichorchester, aber auch auf Bearbeitungen von großen Kammermusikwerken wie zum Beispiel Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in der Bearbeitung von Gustav Mahler. Auch sinfonische Werke mit kleinerer Bläserbesetzung oder Solokonzerte mit Solisten wie Julian Steckel, Ning Feng oder Matthias Kirschnereit gehören zum Programm.

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Besetzung im Konzert am 28.01.24

Tobias Feldmann Violine I (Konzertmeister)
Andreas Feldmann Violine I
David Bestehorn Violine I
Line Faber Violine I
Chungyun Choe Violine I
Linda Fichtner Violine II
Ulrike Töppen Violine II
Narie Lee Violine II
Karoline Bestehorn Violine II
Matthias Gallien Viola
Ernst-Martin Schmidt Viola
Pei-Yi Wu Viola
Alexander Kahl Violoncello
Viola Bayer Violoncello
Maria Krykov Kontrabass
Christine Kessler Cembalo

Tobias Feldmann

1991 in Fulda geboren, studierte Tobias Feldmann an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei Antje Weithaas. Ausgezeichnet unter anderem als Preisträger des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs und als Gewinner des Deutschen Musikwettbewerbs, arbeitet er heute als Solist mit namhaften Orchestern und Dirigenten weltweit.

Kammermusik-Engagements führen ihn in international renommierte Konzertsäle und zu Festivals in Deutschland sowie zum Turina Festival in Sevilla. Zu seinen musikalischen Partnern zählen Julian Steckel, Maximilian Hornung, Boris Kusnezow, Tabea Zimmermann, Istvan Vardai, Kian Soltani, Deniz Kozhukin und Nicolas Altstaedt. 2018 wurde er mit nur 26 Jahren auf eine Professur an die Hochschule für Musik Würzburg berufen. Seit Oktober 2022 unterrichtet er als Professor an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ in Leipzig.

Tobias Feldmann spielt auf einer Violine von Nicolò Gagliano (Neapel, 1769).

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