Horenstein Ensemble

By Karen Allihn Dec. 19, 2024

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Inhalt

Kammermusik des Konzerthausorchesters Berlin


Horenstein Ensemble
Yuan Yu  Flöte
Ralf Forster Klarinette
Ronith Mues Harfe
Avigail Bushakevitz Violine
Jana Krämer-Forster Violine
Matthias Benker Viola
Andreas Timm Violoncello

 

Programm


Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776 – 1822)
Harfenquintett c-Moll
Allegro moderato
Adagio
Allegro

 

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Flötenquartett D-Dur KV 285
Allegro
Adagio
Rondeau. Allegretto


PAUSE


Herbert Howells (1892 – 1983)
Rhapsodic Quintet für Klarinette und Streichquartett op. 31
 

William Alwyn (1905 – 1985)
„Naiades“ – Fantasie-Sonate für Flöte und Harfe
 

Claude Debussy (1862 – 1918)
Première Rhapsodie, für Klarinette und Kammerensemble bearbeitet von Sylvain Blassel

Harfe spielendes Multitalent

E.T.A. Hoffmanns Harfenquintett

1795 schreibt Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann an einen Jugendfreund: „Weisst Du, dass ich auf der Harfe spiele? […] Wenn ich von mir selbst abhinge, würd’ ich Componist.“ Doch welcher 19-Jährige hängt schon „von sich selbst ab“, zumal am Ende des 18. Jahrhunderts? Also folgt der Sohn eines Königsberger Hofgerichtsadvokaten erst einmal der Familientradition und wird Jurist. 1798 geht er als Kammergerichtsrat nach Berlin, wo er zwei Jahre bleibt und nach kürzeren Zwischenaufenthalten von 1814 bis zu seinem Tod lebt. Ab Mitte 1815 wohnt er direkt am Gendarmenmarkt an der Charlottenstraße, Ecke Taubenstraße. Sein Stammlokal hier wird das Lutter & Wegner.

Hoffmann wird vor allem als Schriftsteller berühmt, macht aber auch als Zeichner und Karikaturist von sich reden, arbeitet als Musikkritiker, versucht sich als Kapellmeister und hat als Komponist ein gar nicht kleines Œuvre hinterlassen. In Bronze gegossen kehrt der Vielbegabte schon 2009 an diesen Platz zurück. Am heutigen Abend ist er mit seinem charmanten Harfenquintett von seiner musikalischen Seite zu erleben. Als Hoffmann dieses Werk 1807 in Warschau zu Papier bringt, hat er als glühender Mozart-Verehrer seinen Vornamen Wilhelm bereits gegen Amadeus getauscht.

Mannheimer Auftragswerk

Mozarts Flötenquintett

Vermutlich hätte es E.T.A. Hoffmann unbändig gefreut, sich im heutigen Programm mit ebenjenem Amadeus vergesellschaftet zu sehen. Die ebenso schwungvoll-heitere wie tiefgründige Komposition, mit der Mozart hier vertreten ist, spricht im Zusammenhang mit der immer wieder kolportierten Behauptung, er habe die Flöte gehasst, ihre ganz eigene Sprache. Entstanden ist dieses D-Dur-Quartett 1777 in Mannheim, wo Mozart auf dem Weg nach Paris Station macht. Hier lernt er den Bonner Mediziner und Amateurflötisten Ferdinand de Jean kennen, der bei ihm für ein stattliches Honorar „3 kleine, leichte, und kurze Concertln und ein Paar quattro auf die flötte“ bestellte. Doch Mozart erfüllt diesen lukrativen Auftrag nur zum Teil und rechtfertigt sich gegenüber dem gestrengen Vater damit, dass er „gleich stuff [= widerwillig]“ werde, „wenn ich immer für ein instrument | das ich nicht leiden kan: | schreiben soll.“ Später scheint er diese Worte zum Glück wieder vergessen zu haben – man denke nur an das „Et incarnatus est“ seiner c-Moll-Messe oder „Die Zauberflöte“.

Meilenstein der englischen Kammermusik

Howells Rhapsodic Quintet

Das Genre der Rhapsodie (von rhápto = zusammensetzen und odē = Gesang) war bereits im antiken Griechenland bekannt. Es bezeichnete damals aneinandergereihte Bruchstücke (Homerischer) Epen oder anderer Dichtungen, die von fahrenden Sängern vorgetragen wurden. Auch wenn der Inhalt sich über die Jahrhunderte gewandelt hat und man unter Rhapsodie heute ein Vokal- oder Instrumentalwerk versteht – das Prinzip ist noch immer dasselbe: Die Themen sind lose verbunden, die musikalischen Gedanken führen teils ein Eigenleben. Als der englische Komponist Herbert Howells sein 1919 entstandenes Werk für Klarinette und Streichquartett „Rhapsodic Quintet“ nennt, hat er mit diesem Titel die einsätzige Form im Sinn: eine lange fließende Folge liedartiger, nicht selten kontrastierender Melodien.

LUFTIG, FILIGRAN UND ELEGANT

Alwyns "Naiades"

Mit 15 Jahren beginnt er an der Londoner Royal Academy of Music Flöte, Klavier und Komposition zu studieren, mit 21 wird er hier zum Professor für Komposition ernannt. Zu seinem Werkkatalog gehören mehr als 300 Kompositionen fast aller Gattungen, darunter Opern, Sinfonien, Ballette, Konzerte, Vokalwerke, Kammermusik und gut 80 Filmmusiken. Die Rede ist von dem englischen Komponisten, Dirigenten und Musiklehrer William Alwyn, 1905 in Northampton etwa 100 Kilometer nördlich von London geboren und 1985 in der Grafschaft Suffolk gestorben. Hier, im Dorf Blythburgh, wo er die letzten 25 Jahre seines Lebens verbringt, komponiert Alwyn 1971 eine Fantasie-Sonate für Flöte und Harfe, die er „Naiades“ überschreibt. In der Tat lassen die improvisatorischen, immer weiter gesponnenen Linien der Flöte an das Element denken, in dem die titelgebenden Wassergöttinnen der Antike hausten: an fließendes Wasser. Auch umspielen beide Instrumente einander und führen schier endlose Zwiegespräche: luftig, filigran und elegant.

EINDRINGEN DES MOMENTANEN

Debussys Première Rhapsodie

Nach Jahren der pianistischen Ausbildung durch die Chopin-Schülerin Mauté de Fleurville, nach einem Studium am Pariser Conservatoire, einer Tätigkeit als Hauspianist bei Tschaikowskys Mäzenin Nadeshda von Meck, einem Aufenthalt in Rom, ausgedehnten Konzertreisen und verschiedenen Kompositionen widmet sich Claude Debussy 1893 mit seinem ersten und einzigen Streichquartett erstmals der Kammermusik. Sechs Jahre später entsteht seine Rhapsodie für Saxophon und Klavier. 1909/10 folgt dann (als Prüfungsstück für das Pariser Conservatoire) die Première Rhapsodie für Klarinette und Klavier, die in einer Bearbeitung des französischen Harfenisten, Dirigenten und Hochschullehrers Sylvain Blassel den heutigen Abend beschließt. Kein Geringerer als Pierre Boulez bescheinigte Debussy in Sachen Kammermusik die „völlige Umwälzung all jener Begriffe, die bis dahin unverrückbar geblieben waren“ und konstatierte: „Das in Bewegung Befindliche, das Momentane dringt in die Musik ein.“

Das 2008 aus Musikern des Konzerthausorchesters Berlin gegründete Horenstein Ensemble zeigt die große Vielfalt der Kammermusik und das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumentengattungen wie Streicher, Bläser und Harfe in spannungsvollen Konzertprogrammen auf. Unterschiedliche, zum Teil außergewöhnliche Besetzungen auch mit Gastmusikern sind kennzeichnend für den Charakter des Ensembles.

Das Repertoire ist nicht auf eine bestimmte Musikepoche begrenzt und umfasst Werke von Mozart und Spohr über Brahms, Ravel und Messiaen bis hin zu Widmann und Yun. Darüber hinaus widmet sich das Horenstein Ensemble der in Deutschland selten zu hörenden englischen Kammermusik, wie den Kompositionen von Vaughan Williams, Bax, Elgar, Somervell, Arnold, Butterworth und Britten. 

Durch die enge Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten entstanden zahlreiche Auftragskompositionen für die besondere Besetzung des Ensembles: So wurde 2010 das Werk „Philaki“ von Samir Odeh-Tamimi zum Mauerfallgedenken uraufgeführt und 2011 „Le Tombeau de Maurice Ravel“ von Allain Gaussin, eine Hommage an den bedeutenden Vertreter des musikalischen Impressionismus. 2017 fand die Uraufführung von „Die Dichterliebe recomposed“ von Christian Jost im Konzerthaus Berlin statt, es folgte 2018 „Poéme secret“ von Robert Groslot.

Die ungeteilte Verehrung für das Wirken des Dirigenten Jascha Horenstein, der eine starke, künstlerische Bindung an Berlin hatte, gab dem Ensemble seinen Namen.

Nachdem das Ensemble 2011 sein Debütalbum „Tempelhof“ bei dem Label ACOUSENCE records als CD und Vinyl-LP veröffentlichte, erschien 2015 die zweite Einspielung auf demselben Label. „Lost Generation“ ist der Titel des Albums, auf dem das Horenstein Ensemble der Frage nachgeht, was jene Generation von Komponisten, die sehr jung im 1. Weltkrieg gefallen ist, noch hätte erschaffen können. Exemplarisch hierfür stehen George Butterworth, Cecil Coles und Rudi Stephan, deren Kompositionen teilweise als Ersteinspielungen auf dieser CD abgebildet wurden. 2019 erschien bei dem Label „Deutsche Grammophon“ die Aufnahme der „Dichterliebe“ von Christian Jost mit dem Horenstein Ensemble auf CD, eine Neukomposition von Robert Schumann´s Liederzyklus für Gesang und Kammerensemble.

Die Vision, grenzüberschreitend und innovativ nach neuen Wegen zu suchen, sowohl musikalisch als auch bei der Vermittlung von Kunst und Musik, ist für das Horenstein Ensemble Antrieb und Anspruch zugleich.

www.horensteinensemble.de

Schnelle Fragen in einem sehr langsamen Aufzug

Draußen donnern Bagger durch den Nieselregen über die Baustelle in der Charlottenstraße, doch gegenüber der Pförtnerloge ist es schon ein bisschen weihnachtlich-besinnlich: Solo-Harfe Ronith Mues und ihr goldenes Instrument steigen in unseren Aufzug Süd, der sich allen Baumaßnahmen zum Trotz wie immer sehr langsam, aber zuverlässig auf den Weg nach oben macht.

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