14.00 Uhr
Espresso-Konzert mit dem Konzerthausorchester Berlin
Konzerthausorchester Berlin
Rias Kammerchor
Justin Doyle Dirigent
Ralf Sochaczewsky Choreinstudierung
Navid Kermani Sprecher
Kateryna Kasper Sopran
Katie Bray Alt
Robert Murray Tenor
Hanno Müller-Brachmann Bass
Kai Roterberg Tenor (Chorsolist)
Jörg Genslein Tenor (Chorsolist)
Esther Tschimpke Sopran (Chorsolistin)
Hohlfeld-Redmond, Katharina
Kim, Mi-Young
Köberlein, Marie
Krispin, Sarah
Lösch, Anette
Miller, Jana
Petersen, Anja
Petitlaurent, Stephanie
Tschimpke, Esther
Weiß, Fabienne
Bartsch, Ulrike
Gillingwater, Jessica
Hausburg, Karola
Herzog, Marlen
Löbbert, Sibylla Maria
Markowitsch, Franziska
Poczykowska, Helena
Rützel, Hildegard
Buhrmann, Joachim
Genslein, Jörg
Hong, Minsub
Kinsella, Stuart
Mücke, Christian
Oppermann, Laurin
Roterberg, Kai
Tsuji, Masashi
Drexlmeier, Stefan
Hille, Florian
Horenburg, Ingolf
Lewenberg, Cornelius
Mayr, Paul
Nickert, Manuel
Preckwinkel, Rudolf
Redmond, Andrew
Programm
Navid Kermani (*1967)
Auszüge aus „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“ (2015)
im Wechsel mit Gregorianischen Gesängen aus der Liturgie der Karwoche
„Ubi caritas et amor” (gregorianisch)
– Antiphon aus der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag
Liebe II / El Greco: „Der Abschied Christi von seiner Mutter“
„O Virga ac diadema“ (Hildegard von Bingen)
– Sequenz auf die Jungfrau und Gottesmutter Maria (I)
Schönheit / Sandro Botticelli: „Kreuztragung“
„O vos omnes“ (gregorianisch)
– Responsorium aus den Karmetten vom Karsamstag
Klage / Pietà: „Holzskulptur“
„O Virga ac diadema“ (Hildegard von Bingen)
– Sequenz auf die Jungfrau und Gottesmutter Maria (II)
Karl Schlamminger: „Kreuz“
„Ecce lignum crucis“ (gregorianisch) – Gesang zur Kreuzverehrung aus der Karfreitagsliturgie
Pause
Joseph Haydn (1732 – 1809)
„Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ für Soli, Chor und Orchester Hob XX:2
Introduzione
Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun
Fürwahr, ich sag‘ es dir: Heute wirst du bei mir im Paradiese sein
Frau, hier siehe deinen Sohn, und du, siehe deine Mutter!
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Introduzione
Jesus rufet: Ach mich dürstet!
Es ist vollbracht
Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist
Il Terremoto (Das Erdbeben): Er ist nicht mehr
Joseph Haydn: „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ für Soli, Chor und Orchester Hob XX:2
Da Jesus an dem Kreuze stund
Und ihm sein Leichnam ward verwundt
So gar mit bittern Schmerzen,
Die sieben Wort, die Jesus sprach,
Betracht in deinem Herzen.
Kirchenlied aus dem 16. Jahrhundert
(Text: Johann Böschenstain 1515, Melodie: Leipzig 1545)
Die Betrachtung der in den vier Evangelien als die „Sieben letzten Worte“ überlieferten Jesus-Worte zählt seit dem späten Mittelalter zu den am meisten verbreiteten Passions-Andachten und ist ein wichtiges Zeugnis der Volksfrömmigkeit. In dieser Andachtsform wird als „Evangelien-Harmonie“ verbunden, was in den Evangelien an sich getrennt erscheint: Keines der vier schließlich in den biblischen Kanon aufgenommenen Evangelien überliefert diese „Sieben Worte“, sondern jeweils nur einzelne. Die Evangelien verstehen sich auch nicht als Bericht, Chronik des Lebens Jesu, sondern sie sind, wie der Name „Evangelium“ für diese literarische Gattung ausdrücken soll, „Frohbotschaft von Jesus Christus, dem Sohne Gottes“ (wie das Markus-Evangelium anhebt). Jedes dieser Evangelien ist der Versuch einer Annäherung an das Messias-Geheimnis Jesu, ist von menschlicher Hand verfasst und redigiert (ohne das „Inspiriertsein“ dieser Schriften hier in Frage stellen zu wollen), ist Ergebnis theologischer Reflexion und auf ein bestimmtes, für die vier Evangelien durchaus unterschiedliches Leserpublikum zugeschnitten. In den sieben Worten zusammengefasst sind eigentlich mindestens drei Blickrichtungen auf Jesus von Nazareth als historische Gestalt und als „Sohn Gottes“ mit den vielfältigen Implikationen jüdischer und frühchristlicher Theologie.
Der Passionsbericht nach Markus, wie ihn das Matthäus-Evangelium fast unverändert übernimmt, lässt Jesu Leben am Kreuz in völliger Verlassenheit und Einsamkeit enden. Nicht nur die Freunde und Anhänger sind weit weg, sondern auch der Vater im Himmel bleibt verborgen: Mit dem Schrei „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (der in der später aufgezeichneten Gestalt seinerseits ein bekanntes Psalmwort – Ps 22,2 – paraphrasiert) stirbt Jesus.
Die Lukas-Überlieferung gestaltet ein völlig gewandeltes Jesus-Bild: Seiner Verkündigung treu bleibend, betet der Gekreuzigte für seine Feinde, für die, die ihn hinrichten („denn sie wissen nicht, was sie tun“), vermag dem reuigen Verbrecher am Kreuz noch tröstenden Zuspruch zu geben („heute noch wirst du bei mir im Paradies sein“) und gibt sein Leben schließlich in die Hände des himmlischen Vaters, um dessen Nähe er weiß. (Auch die letzten Worte Jesu nach Lukas sind ein Psalm-Zitat – Ps 31,6.)
Das Johannes-Evangelium, die jüngste Überlieferung der vier Evangelien, gestaltet Jesus als den verherrlichten Gottessohn, der diese Herrlichkeit auch am Kreuz nicht ablegt. (In seiner Johannes-Passion wusste Johann Sebastian Bach dies in unvergleichlicher Weise mit musikalischen Mitteln auszudrücken.) Mit den Worten „Es ist vollbracht“ konnte Jesu auch im Sterben über seine Gegner triumphieren und sein Erlösungswerk im vollen Bewusstsein zum Ende führen.
Die Passions-Andacht der „Sieben Worte“ war jedoch zu keiner Zeit der Versuch, diese theologischen Aspekte der verschiedenen Evangelien-Traditionen für die Gläubigen herauszuarbeiten. Jedes einzelne Wort wird als Glaubenswahrheit meditiert und als Etappe des Leidens und Sterbens Jesu erlebt, das durch die Sünde der Welt verschuldet wurde. So ist diese Andacht zumeist als mitleidendes Nachvollziehen von Jesu letzten Leiden gestaltet, wie es in seinen letzten Worten reflektiert erscheint, und mahnt den Beter zum Eingeständnis seiner eigenen Schuld.
Joseph Haydn komponierte seine Orchester-Meditationen über die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz auf einen Auftrag des Domkapitels der Kathedrale von Cádiz in Andalusien, wahrscheinlich erlebten sie 1786 ihre erste Aufführung im Rahmen einer Karwochen-Andacht. (Allerdings irrte sich Haydn in seiner Erinnerung – Ort dieser von ihm musikalisch gestalteten Passions-Exerzitien war nicht der Dom, sondern die 1756 in eine unterirdische Grotte eingebaute Kirche Santa Cueva.)
Stifter und Auftraggeber der Haydnschen Musik war der Cádizer Domherr Marquès de Valde-Inigo, der auch die Ausschmückung und künstlerische Ausgestaltung dieser Kirche zu einem persönlichen Anliegen gemacht hatte und aus seiner Privatschatulle lebhaft förderte. Durch einen gemeinsamen Freund wurde sein Ersuchen an Haydn weitergeleitet, der diesem Wunsch mit der ihm eigenen künstlerischen Meisterschaft zu entsprechen wusste.
Mit den neun Sätzen für Orchester hatte Haydn diese schwierige Aufgabe bravourös zu meistern gewusst: Wiewohl keiner der Sätze (bis auf das abschließende „Erdbeben“) aus einem langsamen Grundtempo ausbricht, wusste der Komponist den Charakter der einzelnen Meditationen fein gegeneinander abzustufen und jeden Einzelsatz aus dem Grundgedanken des Sonatenhauptsatzes heraus dramatisch zu gestalten. Darüber hinaus dienen auch die Wahl der Tonarten und die Spezifik der Instrumentation, jeden Satz individuell einzufärben.
1787 erstellte Haydn von den Orchestermusiken eine Streichquartett-Fassung und verlagerte die Kreuzesmeditation somit aus der liturgischen Feier in die Sphäre hausmusikalischer Intimität. Aber auch in dieser Gestalt wollte Haydn sein Werk nicht etwa als absolute Musik angesehen wissen, sondern beschrieb die erforderliche Aufführungssituation in einem Brief an einen Londoner Verleger wie folgt: „Jedwede Sonate, oder jedweder Text ist bloss durch die Instrumental Music dergestalt ausgedruckt, das es den unerfahrensten den tiefsten eindruck in seiner Seel erwecket; das ganze Werk dauert etwas über eine Stunde, es wird aber nach jeder Sonate etwas abgesezt, damit man voraus den darauffolgenden Text überlegen köne.“ Außerdem existiert von diesem Werk noch eine autorisierte Klavierfassung.
Die größte Popularität erreichte Haydns Musik über die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz jedoch in der Fassung als Oratorium: Ein musikalisch fein gebildeter Domkapitular und Kapellmeister aus Passau, Joseph Friebert, hatte Haydns Instrumentalsätze mit einem passenden Text versehen, Chorstimmen aus der Orchesterpartitur herausgesetzt und das Werk in dieser Gestalt auch in Passau bereits zur Aufführung gebracht. Auf der Rückreise von seiner zweiten London-Reise nach Wien machte Haydn Station in Passau und hörte dort – sicherlich mit nicht geringem Erstaunen – die Neufassung seines Werkes, erklärte sich danach aber mit dem Text im Prinzip einverstanden und legte diesen auch der 1795/96 erstellten eigenen Neufassung für Soli, Chor und Orchester zugrunde, die vor allem den Vokalsatz entscheidend redigierte und verbesserte. Kleine textliche Besserungen nahm der Baron Gottfried van Swieten vor, auf dessen Veranlassung diese Werkgestalt 1796 im Palais Schwarzenberg in Wien vor einem erlesenen Publikum ihre Uraufführung erleben konnte.
Navid Kermani
Der Schriftsteller und habilitierte Orientalist Navid Kermani, geboren 1967, lebt in Köln. Für seine Romane, Essays und Reportagen erhielt er unter anderem den Kleist-Preis, den Hölderlin-Preis, den Joseph Breitbach-Preis, den Thomas Mann-Preis sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In seinem 2015 erschienenen Bestseller „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“ erschließt sich Kermani einen faszinierenden Zugang zum christlichen Glauben durch die Betrachtung herausragender Kunstwerke vor allem des italienischen Barocks. Seine jüngsten Veröffentlichungen sind der Roman „Das Alphabet bis S“ und das Kinderbuch „Zuhause ist es am schönsten, sagte die linke Hand und hielt sich an der Heizung fest“ (beide im Hanser Verlag) sowie „In die andere Richtung jetzt. Eine Reise durch Ostafrika“ (C. H. Beck).
Auszug aus dem Buch „Ungläubiges Staunen“, erschienen im Verlag C. H. Beck
Ergänzt und kommentiert werden die Lesetexte von Navid Kermani durch einstimmige Gregorianische Gesänge aus der Liturgie der Karwoche. Wie es der aktuelle Forschungsstand widerspiegelt, entstand das umfangreiche Repertoire des Gregorianischen Chorals im 8./9. Jahrhundert im Frankenreich – in Reaktion auf die neuesten Entwicklungen aus Rom. Da Liturgie und Kirchenmusik auch ein das Reich einende politische Funktion hatten, legte man an allerhöchster Stelle auf Einheitlichkeit und Rombezug des Repertoires allergrößten Wert. Allerdings wurden die von Rom aus überlieferten Gesänge im Frankenreich einem umfangreichen Transformationsprozess unterworfen, der ihnen einen nüchternen, rationaleren Charakter verlieh (und sie überdies gegenüber der überbordenden Fantasie altrömischer Gesänge leichter erlernbar machte). Über Jahrhunderte wurde das Repertoire gepflegt und erweitert – die im heutigen Programm erklingenden Gesänge spiegeln diesen langen Prozess ebenfalls wider.
„Ubi caritas“ ist ein Gesang aus der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag, der den Ritus der Fußwaschung begleitet. „O vos omnes“ ist ein Responsorium aus den Karmetten am Karsamstag: Auf die umfangreichen Lesungen aus dem Buch der Klagelieder antwortet die Choralschola mit Gesängen, die zwar häufig Bibeltexte paraphrasieren, aber in denen Christus als der Erlöser direkt zu den Gläubigen spricht: „O ihr, die ihr alle des Weges kommt, seht auf meinen Schmerz!“ „Ecce lignum crucis“ schließlich ist ein Gesang zur Kreuzverehrung in der Liturgie vom Leiden und Sterben Jesu am Nachmittag des Karfreitags: Während das in ein Tuch eingehüllte Kreuz in drei Stufen von seiner Verhüllung befreit wird, erklingt dieser Gesang, jeweils einen Ton höher angestimmt.
Etwa 300 Jahre jünger als das gregorianische Hauptrepertoire sind die Gesänge der Hildegard von Bingen (1098-1179). 1141 hatte die von Geburt an dem Klosterleben geweihte Hildegard mit der Aufzeichnung ihrer Visionen, die sie seit der Kindheit in Bild und Wort empfangen hatte, begonnen. Ihr Kloster, dem sie seit 1136 auch als Äbtissin vorstand, wurde sehr schnell zu einem Wallfahrtsort für Hilfesuchende und Schaulustige. Als in den Jahren 1147/48 im nahen Trier eine Bischofssynode in Anwesenheit des Papstes Eugen III. tagt, lässt dieser auf Betreiben des Klosters und des Bischofs von Mainz Hildegards Schriften prüfen und erlaubt ihr unter Zustimmung der versammelten Bischöfe, „im Namen Christi und des heiligen Petrus zu verkünden, was sie im Heiligen Geist erkenne“. Diese kirchenamtliche Anerkennung ihrer prophetischen Gabe bedeutete für Hildegard Autorität, ja sogar eine besondere moralische Vollmacht, die sie sowohl seelsorgerlich als auch politisch, nicht zuletzt auch zum wirtschaftlichen Gewinn ihres Klosters zu nutzen wusste, und entsprechendes Gewicht wurde ihren theologischen und medizinischen Veröffentlichungen beigemessen.
Von Hildegard sind neben den in dem geistlichen Drama „Ordo Virtutem“ enthaltenen Gesängen insgesamt 75 Kompositionen erhalten (auch deren Texte entstammen sämtlich der Feder Hildegards!), zumeist für den Gebrauch im eigenen Kloster oder aber als Gelegenheitswerke für andere Abteien entstanden. Folgen diese Kompositionen zwar in der Form (als Hymnen, Antiphonen oder Sequenzen) durchaus den Üblichkeiten des gregorianischen Repertoires, so ist doch ihre konkrete Gestalt ebenso ungewöhnlich und vorbildlos wie Hildegards Theologie oder Naturheilkunde: Ihr großer Ambitus (mitunter 2 bis 2 1/2 Oktaven) sprengt alles vorher Bekannte, auffällig auch das ambivalente Verhältnis zu den traditionellen Kirchentönen. Im Melodieverlauf der Hildegard-Gesänge sind die Töne der Prim und Quinte besonders hervorgehoben. Durch bordunartige Ausführung dieser Rahmentöne lässt sich aus Hildegards einstimmigen Weisen mehrstimmiger Vollklang erzeugen, der mit den Gegebenheiten mittelalterlicher Borduninstrumente wie Drehleier (auch „Symphonia“ genannt) oder Fidel korrespondiert – und nicht umsonst nannte Hildegard ihre Gesänge selbst „Symphoniae“!
„O virga ac diadema“, das in zwei Teilen erklingt, ist eine umfangreiche Sequenz auf die Jungfrau und Gottesmutter Maria, die diese als „Reis und Krone“ preist und deren komplizierte Theologie in komprimiertester Weise vor dem Hörer und Beter ausbreitet.
Joseph Haydn: Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze
1. Introduzione
2.
Vater, vergib ihnen,
Denn sie wissen nicht, was sie tun.
Vater im Himmel, o sieh hernieder
Vom ewigen Thron!
Vater der Liebe, dein Eingeborener,
Er fleht für Sünder, für deine Kinder,
Erhöre den Sohn!
Ach, wir sind gefallen,
Wir sündigten schwer;
Doch allen zum Heil, uns allen,
Floß deines Sohnes Blut.
Das Blut des Lamms schreit nicht um Rach‘;
Es tilgt die Sünden.
Vater der Liebe, laß uns Gnade finden,
Erhöre den Sohn!
3.
Fürwahr, ich sag’es dir:
Heute wirst du bei mir im Paradiese sein.
Ganz Erbarmen, Gnad‘ und Liebe,
Bist du Mittler, Gotteslamm.
Kaum ruft jener reuig auf zu dir:
Wenn du kommest in dein Reich,
ach, so denke mein!
So versprichst du ihm voll Milde:
Heut‘ wirst du bei mir im Paradiese sein.
Herr und Gott! Blick auf uns!
Sieh an deines Kreuzes Fuße
Unsre wahre Reu‘ und Buße!
Sieh, o Vater, unsre Reue!
Gib uns auch zur letzten Stunde
Jenen Trost aus deinem Munde:
Heut‘ wirst du bei mir im Paradiese sein.
4.
Frau, hier siehe deinen Sohn,
Und du, siehe deine Muttter!
Mutter Jesu, die du trostlos weinend,
Seufzend bei dem Kreuze standst,
Und die Qualen seines Leides
In der Stund‘ des bittern Scheidens
Siebenfach in dir empfandst.
Kaum mehr fähig, dich zu fassen,
Und doch standhaft und gelassen,
Nimmst als Sohn den treuen Jünger
Und mit ihm auch uns als Kinder an.
Mutter Jesu, o du Zuflucht aller Sünder,
Hör das Flehen deiner Kinder.
O du Zuflucht aller Sünder,
Steh uns bei im letzten Streit,
Mutter voll der Zärtlichkeit,
O steh uns allen bei!
Wenn wir mit dem Tode ringen
Und aus dem beklemmten Herzen
Unsere Seufzer zu dir dringen,
Laß uns, Mutter, laß uns da nicht unterliegen!
Hilf uns dann den Feind besiegen.
Und steh uns bei im letzten Streit!
Wenn wir mit dem Tode ringen,
O da zeige dich als Mutter
Und empfehl‘ uns deinem Sohn, o Mutter!
5.
Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen?
Warum hast du mich verlassen?
Wer sieht hier der Gottheit Spur?
Wer kann fassen dies Geheimnis?
O Gott der Kraft und Macht,
O Gott der Macht und Stärke,
Wir sind deiner Hände Werke,
Und deine Lieb, o Herr, hat uns erlöst.
O Herr, wir danken dir von Herzen.
Unserwegen littst du Schmerzen,
Spott, Verlassung, Angst und Pein.
Herr, wer sollte dich nicht lieben,
Dich mit Sünden noch betrüben?
Wer kann deine Huld verkennen?
Nein, nichts soll uns von dir trennen,
Allhier und dort in Ewigkeit.
6. Introduzione
7.
Jesus rufet: Ach, mich dürstet!
Hemmt nun die Rache, stillt eure Wut!
Menschen, lasset Mitleid euch erweichen,
Ruft Erbarmung in das Herz!
Jesus rufet: Ach, mich dürstet!
Ihm reicht man Wein, den man mit Galle mischet.
So labt man ihn.
Kann Grausamkeit noch weiter gehen?
Nun kann er nicht mehr fassen
Den Schmerz, der Wohltun war.
Ach, im Durst vor seinem Ende
Reichet man ihm Galle dar!
8.
Es ist vollbracht!
Es ist vollbracht!
An das Opferholz geheftet,
Hanget Jesus in der Nacht;
Und dann ruft er laut:
Es ist vollbracht.
Was uns jenes Holz geschadet,
Wird durch dieses gut gemacht.
Weh euch Bösen, weh euch Blinden, weh euch allen,
Die ihr Sünden immer häuft auf Sünden!
Menschen, denket nach!
Werdet ihr Erbarmung finden,
Wenn er kommt in seiner Herrlichkeit und Macht?
Rett‘ uns, Mittler, vom Verderben!
Höre, Gottmensch, unser Schrein!
Laß dein Leiden und dein Sterben
Nicht an uns verloren sein.
Laß uns einst den Himmel erben
Und mit dir uns ewig freun.
9.
Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.
In deine Händ‘, o Herr, empfehle ich meinen Geist.
Nun steigt sein Leiden höher nicht,
Nun triumphiert er laut und spricht:
Nimm, Vater, meine Seele,
Dir empfehl‘ ich meinen Geist.
Und dann neigt er sein Haupt und stirbt.
Vom ewigen Verderben
Hat uns sein Blut errettet;
Aus Liebe für uns Menschen, aus Liebe
Starb er den Tod der Sünder.
Du gabst uns neues Leben;
Was können wir dir geben?
Zu deinen Füßen liegen wir,
O Jesu, tief gerührt;
Nimm unser Herz als Oper an!
In deine Händ‘, o Herr, empfehl‘ ich meinen Geist.
10. Il Terremoto (Das Erdbeben)
Er ist nicht mehr.
Der Erde Tiefen schallen wider:
Er ist nicht mehr.
Erzittre, Golgotha, erzittre!
Er starb auf deinen Höhen.
O Sonne, fleuch
Und leuchte diesem Tage nicht!
Zerreiße, Land, worauf die Mörder stehen.
Ihr Gräber, tut euch auf,
Ihr Väter, steigt ans Licht!
Das Erdreich, das euch bedeckt,
Ist ganz mit Blut befleckt.
Das Konzerthausorchester Berlin spielt seit der Saison 2023/24 unter Leitung von Chefdirigentin Joana Mallwitz. Sie folgt damit Christoph Eschenbach, der diese Position ab 2019 vier Spielzeiten innehatte. Als Ehrendirigent ist Iván Fischer, Chefdirigent von 2012 bis 2018, dem Orchester weiterhin sehr verbunden.
1952 als Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) gegründet, erfuhr das heutige Konzerthausorchester Berlin von 1960 bis 1977 unter Chefdirigent Kurt Sanderling seine entscheidende Profilierung und internationale Anerkennung. Seine eigene Spielstätte erhielt es 1984 mit Wiedereröffnung des restaurierten Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Zehn Jahre später wurde das BSO offizielles Hausorchester am nun umgetauften Konzerthaus Berlin und trägt seit 2006 dazu passend seinen heutigen Namen. Dort spielt es pro Saison mehr als 100 Konzerte. Außerdem ist es regelmäßig auf Tourneen und Festivals im In- und Ausland zu erleben. An der 2010 gegründeten Kurt-Sanderling-Akademie bilden die Musiker*innen hochbegabten Orchesternachwuchs aus.
Einem breiten Publikum auf höchstem Niveau gespielte Musik nah zu bringen, ist dem Konzerthausorchester wesentliches Anliegen. Dafür engagieren sich die Musiker*innen etwa bei „Mittendrin“, wobei das Publikum im Konzert direkt neben Orchestermitgliedern sitzt, als Mitwirkende in Clipserien im Web wie dem mehrfach preisgekrönten #klangberlins oder in den Streams „Spielzeit“ auf der Webplattform „twitch“. Die Verbundenheit mit Berlin zeigt sich im vielfältigen pädagogischen und sozialen Engagement des Orchesters mit diversen Partnern in der Stadt.
Der RIAS Kammerchor Berlin, der in der vergangenen Saison seinen 75. Geburtstag feierte, zählt zu den weltweit führenden Profichören. 34 professionell ausgebildete Sänger*innen bilden den multinationalen Klangkörper. Sein Repertoire erstreckt sich von historisch informierten Renaissance- oder Barock-Interpretationen über Werke der Klassik und Romantik bis hin zu regelmäßigen Uraufführungen.
Seit der Saison 2017/18 ist Justin Doyle Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Ensembles, das mit bis zu 50 Konzerten pro Saison auf den Bühnen Deutschlands und der Welt zu den wichtigsten Tourneechören des Landes zählt. In seiner Heimatstadt präsentiert sich das Ensemble mit sechs Abo-Konzerten, darunter das renommierte Neujahrskonzert, sowie mit den ForumKonzerten, die an außergewöhnliche Orte führen.
Zu den Musikvermittlungs-Projekten gehören unter anderem Chorpatenschaften für Berliner Schulchöre, Musikalische Salons, das RIAS Kammerchor Studio, die Klingenden Bilder in der Gemäldegalerie Berlin und Publikumsworkshops unter der Leitung von Justin Doyle. Darüber hinaus veranstaltet das Ensemble mit dem Deutschen Musikrat alle zwei Jahre das Abschlusskonzert des Deutschen Preises für Chordirigieren.
Regelmäßige Kooperationen bestehen mit bedeutenden Ensembles wie der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Chamber Orchestra of Europe und dem Freiburger Barockorchester sowie Dirigent*innen wie Sir Simon Rattle, René Jacobs, Yannick Nézet-Séguin, Iván Fischer, Rinaldo Alessandrini und Krista Audere.
Der RIAS Kammerchor Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre gGmbH Berlin (ROC). Gesellschafter sind Deutschlandradio, die Bundesrepublik Deutschland, das Land Berlin und der Rundfunk Berlin-Brandenburg.
1975 in Lancaster geboren, war er zunächst Chorknabe an der Westminster Cathedral in London und später Choral Scholar am King’s College in Cambridge. Sein internationaler Durchbruch als Dirigent erfolgte 2006 mit einem Zweiten Preis bei der Cadaqués Orchestra International Conducting Competition in Barcelona sowie mit einem Stipendium bei den BBC Singers, was den Beginn einer andauernden Zusammenarbeit markierte.
Als Gast dirigiert er Klangkörper wie den MDR Rundfunkchor, den Norwegian Soloists’ Choir, die Poznań Philharmonic, das Wrocław Barockorchester, Genesis Sixteen und die Kammerakademie Potsdam. Auch als Operndirigent ist Doyle gefragt, insbesondere für Werke von Mozart, Haydn und Britten.
Mit dem RIAS Kammerchor Berlin hat er einen jährlichen Zyklus großer neuer Auftragswerke initiiert, sich gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik Berlin auf die Werke Händels konzentriert und das Repertoire des Chores in der polyphonen Musik der Renaissance erweitert. Mit den Sänger*innen führt er ein breites Spektrum an Chorwerken auf, das von Heinrich Bibers monumentaler „Missa Salisburgensis“ bis hin zu intimen Vertonungen von Volksliedern aus aller Welt reicht. Zudem engagiert er sich mit besonderer Leidenschaft für Musik außereuropäischer Kulturen und für die musikalische Vermittlungsarbeit. Von 2018 bis 2022 war er Gastprofessor an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin im Studiengang Chordirigieren. Darüber hinaus war Doyle von 2019 bis 2024 als Gastprofessor für Chordirigieren und für Alte Musik an der Sibelius-Akademie in Helsinki tätig.
In der aktuellen Saison debütierte er unter anderem bei Chorwerk Ruhr und dem Eric Ericson Kammarkör. Zudem wird er erneut Ensembles wie den Norwegian Soloists’ Choir, den Swedish Radio Choir und das Poznań Philharmonic Orchestra leiten.
Die ukrainische Sopranistin steht als Opern-, Konzert- und Liedsängerin auf internationalen Bühnen. Engagements führten sie zu den Festspielen in Edinburgh, Bergen, Savonlinna, Bregenz, an die Los Angeles Opera und das Gran Teatre del Liceu in Barcelona, in die Pariser, Kölner, Elb- und Moskauer Philharmonie sowie nach Tokio. Sie arbeitete mit den Philharmonischen Orchestern London und Turku, dem Orquestra Gulbenkian Lissabon, dem Ensemble Modern, dem Freiburger Barock- und dem B’Rock Orchester, sang bei den Telemann-Festtagen Magdeburg, bei den Händel-Festspielen Karlsruhe, der Bachwoche Stuttgart und in Grafenegg. An ihrem Stammhaus der Oper Frankfurt sang sie in Opern von Cavalieri, Cesti, Händel bis Mozart, von Verdi, Glinka, Flotow, Humperdinck, Bizet, R. Strauss, Lehár, Kálmán, Britten bis Eötvös.
2018 erschien ihr Debütalbum „O wüßt ich doch den Weg zurück...“ mit romantischen Liedern am historischen Steinway von Richard Wagner. 2022 erschienen CDs mit Zyklen von Schostakowitsch und Weinberg mit dem Trio Vivente, Webers „Freischütz“ mit dem FBO unter René Jacobs sowie ihr zweites Liedalbum „Ein süßes Deingedenken“ mit Liedern von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy.
Kateryna Kasper studierte in Donezk bei Raisa Kolesnik und als Stipendiatin des DAAD bei Edith Wiens in Nürnberg sowie bei Hedwig Fassbender in Frankfurt. Sie ist Preisträgerin des IVC und des Queen Sonja International Music Competition. 2014 gewann sie den Internationalen Mirjam-Helin Gesangswettbewerb in Helsinki.
Robert Murray war in Hauptpartien am Royal Opera House, Covent Garden, der Staatsoper Hamburg, der Englischen, Walisischen und Bergener Nationaloper, der Norwegischen Oper, beim Pekinger Musikfestival, der Biennale von Venedig sowie bei den Festspielen von Edinburgh und Salzburg zu hören. Kürzlich gab er sein Debüt am Teatro alla Scala in Mailand und an der Bayerischen Staatsoper. Zu seinen Opernengagements für diese Saison gehören Peter Quints „The Turn of the Screw“ für die ENO, Josef K. in einer Produktion von Stefan Herheims „Der Prozess“ für das Theater an der Wien und die Titelrolle „Mitridate“ für die Staatsoper Hamburg. Murray ist in Konzerten mit dem LSO, LPO, Philharmonia, CBSO, BBC Symphony und BBC Scottish Symphony Orchestra, der Academy of Ancient Music, dem English Concert, OAE, RTVE Symphony Orchestra, Mahler Chamber Orchestra, Minnesota Orchestra, dem Boston Philharmonic und dem Seattle Symphony Orchestra, der Handel & Haydn Society und bei den BBC Proms aufgetreten; außerdem bei den Liederfestivals in Aldeburgh, Lammermuir und Oxford sowie in der Wigmore Hall mit Rezitalen. Als engagierter Vertreter zeitgenössischer Musik hat er Werke von Gerald Barry, Hans Werne Henze, Harrison Birtwistle, Colin Matthews, Cecilia McDowell, George Benjamin, Elliott Carter und Emily Hall in Rezitalen, Konzerten und szenischen Premieren aufgeführt. Murray schloss sein Studium der Musik und Geschichte an der University of Newcastle ab und studierte Gesang am Royal College of Music, bevor er dem National Opera Studio beitrat. Er war Jette Parker Young Artist am Royal Opera House, Covent Garden.
Der Bassbariton, aufgewachsen in Südbaden und in der Knabenkantorei Basel musikalisch früh geschult, studierte bei Ingeborg Most in Freiburg, bei Rudolf Piernay in Mannheim und besuchte die Liedklasse von Dietrich Fischer-Dieskau in Berlin. Noch während seiner Ausbildung holte Daniel Barenboim den 27-jährigen dreifachen Wettbewerbsgewinner an die Berliner Staatsoper Unter den Linden, deren Ensemble er 13 Jahre lang angehörte. Hier verkörperte er die großen Mozart-Partien seines Fachs, daneben viele wichtige Partien sowie Rollen in Uraufführungen von Elliott Carters „What next?“ und Pascal Dusapins „Faustus, the last night”. Gastauftritte führten ihn auch an die Staatsopern in Hamburg, Wien
und München, an das Theater an der Wien sowie nach San Francisco. Der Mitschnitt von
Mozarts „Die Zauberflöte“ in Modena unter Claudio Abbado mit Hanno Müller-Brachmann als Papageno erschien bei der Deutschen Grammophon und wurde als Operneinspielung des Jahres mit einem „Gramophone Award“ ausgezeichnet. In Cleveland sang er kürzlich unter der Leitung von Franz Welser-Möst den Golaud in Debussys „Pelléas et Mélisande“ und den Musiklehrer in „Ariadne auf Naxos“.
Eine langjährige Zusammenarbeit als Konzertsänger verband ihn mit Bernard Haitink. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Mariss Jansons sang er 2017 die Uraufführung von Wolfgang Rihms „Requiem-Strophen“. Reizvolle Projekte in dieser Saison sind unter anderem Mendelssohns „Walpurgisnacht“ in Madrid unter Andrés Orozco-Estrada, Beethovens Missa Solemnis an der Mailänder Scala unter Tugan Sokjiev sowie sein Engagement als Fafner in Wagners „Siegfried“ unter Kent Nagano in Prag, Paris, Köln und Luzern.
Wir nutzen die Zeit mit Stefan Markowski in unseren außerordentlich langsamen Aufzug Süd, um unseren Stellvertretenden Konzertmeister der Zweiten Geigen nach Auf und Ab des Konzerthausorchesters während bewegter Jahrzehnte zu fragen. Seit 1981 ist er dabei, in diesem Monat spielt er sein letztes Konzert.