13.00 Uhr
Führung durch das Konzerthaus Berlin
Martin Stegner Viola
Taneli Turunen Violoncello
Esko Laine Kontrabass
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)„Goldberg-Variationen“ BWV 988, für Viola, Violoncello und Kontrabass bearbeitet von Dmitry Sitkovetsky und Martin Stegner
Aria – Variatio 1 a 1 Clav. – Variatio 2 a 1 Clav. – Variatio 3 (Canone all'Unisono) a 1 Clav. – Variatio 4 a 1 Clav. – Variatio 5 a 1 ô vero 2 Clav. –- Variatio 6 (Canone alla Seconda) a 1 Clav. – Variatio 7 a 1 ô vero 2 Clav. (al tempo di Giga) – Variatio 8 a 2 Clav. – Variatio 9 (Canone alla Terza) a 1 Clav. – Variatio 10 (Fughetta) a 1 Clav. – Variatio 11 a 2 Clav. – Variatio 12 (Canone alla Quarta) a 1 Clav. – Variatio 13 a 2 Clav. – Variatio 14 a Clav. – Variatio 15 (Canone alla Quinta) a 1 Clav. –- Variatio 16 (Ouverture) a 1 Clav. –- Variatio 17 a 2 Clav. – Variatio 18 (Canone alla Sexta) a 1 Clav. – Variatio 19 a 1 Clav. – Variatio 20 a 2 Clav. – Variatio 21 (Canone alla Settima) a 1 Clav. – Variatio 22 a 1 Clav. (alla breve) – Variatio 23 a 2 Clav. – Variatio 24 (Canone all' Ottava) a 1 Clav. – Variatio 25 a 2 Clav. (Adagio) –- Variatio 26 a 2 Clav. – Variatio 27 (Canone alla Nona) a 2 Clav. – Variatio 28 a 2 Clav. – Variatio 29 a 1 ô vero 2 Clav. – Variatio 30 (Quodlibet) a 1 Clav. – Aria da capo
Veranstaltung ohne Pause
Vor einigen Jahren konnte man von einer englischen Studie lesen, die sich mit Musik als Einschlafhilfe beschäftigte. Die Mehrheit der Befragten war demnach der Meinung, besonders gut ließe es sich mit klassischer Musik ins Reich der Träume segeln – und ganz besonders gut mit Bach, Mozart und Chopin. Gegen empirische Beweislast ist wenig anzuführen, aber dennoch sei die Vermutung gestattet, dass sich möglicherweise eine gewisse Kurzschlüssigkeit mit auf das sanfte Ruhekissen gelegt haben könnte. Viele Instrumental- und Gesangsstücke, in denen Schlaf und Nacht geschildert und fühlbar gemacht werden, zählen mit zu dem Schönsten, was die Komponistinnen und Komponisten schrieben – sich gewünscht, die Hörer würden dabei langsam entdämmern, haben sie, abgesehen bei Wiegenliedern, gewiss nicht. Damit ein Chopinsches „Nocturne“ seine nächtliche Atmosphäre entfalten kann, braucht es durchaus unsere Aufmerksamkeit. Mozarts „Kleine Nachtmusik“ sollte wie andere seiner Serenaden Schlaf und Langeweile ja eher vertreiben. Und selbst die wiegende Aria „Schafe können sicher weiden“ aus Bachs „Jagdkantate“ singt nicht vom Schäfchenzählen, sondern vom „wachenden Hirten“: „Wo Regenten wohl regieren, kann man Ruh und Friede spüren und was Länder glücklich macht“, heißt es dort so schön optimistisch vertrauensvoll. Auch die „Goldberg-Variationen“ nun, um zum heutigen Programm zu kommen, haben – wenn überhaupt – eher mit der Abwesenheit von Schlaf zu tun.
Johann Nikolaus Forkel berichtete in seiner 1802 erschienenen Bach-Monographie von der Insomnie eines Grafen Keyserlingk: „Goldberg, der bey ihm im Hause wohnte, mußte in solchen Zeiten in einem Nebenzimmer die Nacht zubringen, um ihm während der Schlaflosigkeit etwas vorzuspielen. Einst äußerte der Graf gegen Bach, daß er gern einige Clavierstücke für seinen Goldberg haben möchte, die so sanften und etwas muntern Charakters wären, daß er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte. Bach glaubte, diesen Wunsch am besten durch Variationen erfüllen zu können … Bach ist vielleicht nie für seine Arbeiten belohnt worden, wie für diese. Der Graf machte ihm ein Geschenk mit einem goldenen Becher, welcher mit 100 Louisd’or angefüllt war.“
Dass an dieser Geschichte viel Wahres ist, zieht die Musikwissenschaft in Zweifel, die handelnden Personen aber hat es gegeben. Reichsgraf Hermann Carl von Keyserlingk war Diplomat im Dienst des Zaren am Dresdner Hof und äußerst angetan von der Bachschen Kunst. Der im März 1727 in Danzig – damit übrigens wenige Wochen vor der Leipziger Erstaufführung der Matthäuspassion – geborene Johann Gottlieb Goldberg muss ein begabter Musiker gewesen sein und wurde als Zehnjähriger auf Keyserlingks Empfehlung hin Schüler bei Bach – gut möglich, dass er uns bekannter wäre, hätte er länger gelebt, doch schloss er schon sechs Jahre nach seinem Lehrer die Augen für immer. Und fest steht schließlich auch, dass das Werk 1741 in Nürnberg als „Clavier Übung, bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen vors Clavizimbel …“ erschien, ohne den von der Nachwelt verliehenen Beinamen, aber mit der ausdrücklichen Absichtserklärung: „Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung“.
Bachs dreißig Variationen, die der Aria folgen, stützen sich auf deren Bass beziehungsweise das harmonische Gerüst und nicht auf die Melodie. Einerseits zeigen sie seinen kunstvollen, „gelehrten“, vielleicht streng deutsch zu nennenden Umgang mit poyphoner Verarbeitung und Formen wie etwa Fughette oder dem immer wiederkehrenden „Canon“. Andererseits bedienen sie sich aber auch stilisierter Tänze und Charaktere vor allem französischer und italienischer Herkunft, wie wir sie aus barocken Suiten kennen: Ouvertüre, Sarabande, Courante, Gigue, Passepied, Menuett … Von den Hörern geliebt aber wird der Zyklus besonders, weil er nicht nur ein Kompendium von Formen und ein Schaufenster kompositorischen Könnens ist, sondern auch ein Kosmos von Emotionen, von Stimmungsbildern.
Die Hinweise „a 1 Clav.“ oder „a 2 Clav.“, die Bach den einzelnen Sätzen hinzugesellte, geben an, ob der Interpret auf einem oder zwei Manualen spielen soll und bringen uns damit nachdrücklich in Erinnerung, dass er nicht für das moderne Klavier schrieb, sondern für das – eben zweimanualige – Cembalo. Die letzte Variation ist mit „Quodlibet“ überschrieben, weist also auf das Kombinieren von Melodien hin, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben – gewissermaßen ein musikalischer Scherz. Bach zitiert hier die – wohl aus dem thüringisch-sächsischen Raum stammenden – Volkslieder „Ich bin so lang nicht bei dir gewest“ und „Kraut und Rüben haben mich vertrieben“, was man allgemein als seinen launigen Kommentar zu der Tatsache versteht, dass er die Melodie der Aria seit der ersten Präsentation verborgen hat. Ganz am Ende lässt er sie dann freilich doch noch einmal erklingen.
Die „Goldberg-Variationen“ sind für Pianistinnen und Pianisten ein Maßstab; legendär ist die Interpretation Glenn Goulds, aus neuester Zeit sticht die Einspielung von Víkingur Ólafsson heraus. Und sie haben auch zahlreiche Bearbeitungen erfahren, reichend von Josef Gabriel Rheinberges Fassung für zwei Klaviere (um 1880) über die Streichtriofassung von Dmitry Sitkovetsky (1984) bis hin zu einer Version für sieben Fagotte und Kontrafagott von Henrik Rabien (2021).
Nach dem Geigenstudium an der Mannheimer Musikhochschule bei Roman Nodel wechselte er zur Bratsche und ging 1992/1993 an die Orchesterakadamie der Berliner Philharmoniker. Sein erstes Engagement führte ihn 1993 als Ersten Solobratscher zum Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, drei Jahre später zu den Berliner Philharmonikern. Er konzertiert als Solist und Kammermusiker in Europa, Amerika und Japan. Als Dozent war er für das Gustav Mahler Jugendorchester und das Orquesta Juvenil Centroamericana tätig und gab Kurse an der Yale University und der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin. Seit seiner Jugend ist er leidenschaftlicher Jazzmusiker, trat auf zahlreichen Festivals auf und spielte mit Herbie Mann, Diane Reeves, Thomas Quasthoff und Nils Landgren. Er war Mitbegründer der Berlin Philharmonic Jazz Group und rief 2008 das Ensemble Bolero Berlin ins Leben, in dem er sich mit Solisten der Berliner Philharmoniker der südamerikanischen Musik widmet.
wurde in Helsinki geboren und studierte Cello und Gesang an der Sibelius-Akademie in Helsinki, danach Cello bei Frans Helmerson in Köln. Er verfolgt eine umfangreiche Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker, ist Sänger von Tango Finlandés und hat für das schwedische Label „BIS“ aufgenommen. Seit 2002 ist er Mitglied im Konzerthausorchester Berlin.
wurde von Jussi Javas am Konservatorium Hyvinkää unterrichtet. Gerade 18jährig wurde er Mitglied des Nationalopernorchesters in Helsinki und trat als Solist mit dem Finnischen Rundfunk-Sinfonieorchester auf. Von 1982 bis 1985 folgten weitere Studien bei Günter Klaus an der Musikhochschule Frankfurt am Main, bei Franco Petracchi am Conservatoire de Genève und an der Menuhin Academy in Gstaad.
Bei den Berliner Philharmonikern übernahm er von 1999 bis 2001 und dann erneut ab 2008 die Aufgaben eines Solo-Kontrabassisten. Esko Laine hat mehrere Orchesterkonzerte und Kammermusikwerke für Kontrabass uraufgeführt, die auf seine Anregung hin komponiert wurden. Der gefragte Dozent für Meisterkurse und bei renommierten Nachwuchsorchestern unterrichtet seit 2000 auch an der philharmonischen Karajan-Akademie und an der Musikhochschule Hanns Eisler Berlin. Er spielt seit 2002 im Philharmonischen Oktett und seit 2008 im Ensemble Bolero Berlin sowie im Ensemble Tango Finlandés.