16.00 Uhr
Neujahrskonzert
Konzerthaus Quartett Berlin
Sayako Kusaka Violine
Johannes Jahnel Violine
Amalia Aubert Viola
Felix Nickel Violoncello
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Streichquartett D-Dur KV 499 („Hoffmeister-Quartet“)
Allegretto
Menuetto. Allegretto – Trio
Adagio
Allegro
Pause
Franz Schubert (1797 – 1828)
Streichquartett G-Dur op. post. 161 D 887
Allegro molto moderato
Andante un poco mosso
Scherzo. Allegro vivace – Allegretto
Allegro assai
„Die Zaubertöne von Mozarts Musik“, schrieb der neunzehnjährige Schubert Mitte Juni 1816 in sein Tagebuch, hätten ihm „einen hellen, lichten, schönen Tag“ bereitet, der für immer in seinem „ganzen Leben bleiben“ würde. Dass da schon mehr als die Hälfte dieses Lebens hinter ihm lag, konnte er nicht ahnen. Mozart und Schubert – zwei Komponisten, die sehr früh starben, aber es dennoch schafften, die Mit- und Nachwelt in wahrem Übermaß zu beschenken. Und das Greifen an unsere Herzen, das Schubert den Werken Mozarts zuerkannte, trifft ganz sicher nicht weniger auf seine eigenen Schöpfungen zu: „schöne Abdrücke in der Seele, welche keine Zeit, keine Umstände verwischen, u. wohltätig auf unser Dasein wirken …“
Anders als im 18. Jahrhundert eigentlich üblich und zum Beispiel auch noch für Beethovens Opus 18 zutreffend, ist Mozarts D-Dur Quartett nicht Teil einer sechsteiligen Serie, sondern erschien als Einzelwerk. Das mag – worauf auch sein Beiname hinweist – mit der Entstehungsgeschichte zu tun haben. Denn der Wiener Verleger Franz Anton Hoffmeister hatte bei Mozart 1785 eigentlich drei Klavierquartette in Auftrag gegeben, war dann aber nach dem Druck des ersten wegen mangelnden Verkaufserfolgs vom Vertrag zurückgetreten. Das im August des Folgejahres – wenige Wochen nach der Uraufführung des „Figaro“ – komponierte Streichquartett ist gewissermaßen ein „Ersatz“. Übrigens dürfte es wohl auch kaum zufällig gewesen sein, dass Hoffmeister zeitnah mit Haydns d-Moll-Quartett Hob III:43 einen weiteren „Solitär“ veröffentlichte.
Was das Mozart-Quartett besonders kennzeichnet, ist zum einen der enge thematische Zusammenhang aller Sätze und zum anderen ausgeprägte kontrapunktische Arbeit; selbst das Menuett ist „mit kanonischen Nachahmungen durchwebt“, merkte schon 1791 ein Rezensent lobend an. Anrührender Höhepunkt aber ist das Adagio – vielleicht einer der schönsten langsamen Quartettsätze Mozarts – mit der Mischung aus Wehmut und Trost. Geradezu beispielhaft zeigt es uns, um noch einmal Schubert mit seiner Mozart-Begeisterung zu zitieren, „in den Finsternissen dieses Lebens eine lichte, helle, schöne Ferne, worauf wir mit Zuversicht hoffen.“
Mozart war mit seiner Musik im Wiener Konzert- und Opernleben allgegenwärtig; Schuberts Werke erklangen hingegen vor allem im privaten Kreis, manchmal auch in Kirchen und Theatern. Das öffentliche Konzertleben räumte ihm selten einen Platz ein – nur einmal, am 26. März 1828 (Beethoven war auf den Tag genau ein Jahr zuvor gestorben), veranstaltete er im Wiener „Lokale des österreich. Musikvereins unter den Tuchlauben“ auf eigene Rechnung ein abendliches „Privat-Konzert“ ausschließlich mit eigenen Werken. Ein „erster Satz eines neuen Streich-Quartetts“ eröffnete das Programm – es dürfte sich wohl um das G-Dur-Quartett gehandelt haben. Dieses Quartett, sein letztes und umfangreichstes, hatte er im Abstand von gut zwei Jahren auf seine beiden anderen späten Beiträge zur Gattung („Rosamunde“ D 804 und „Der Tod und das Mädchen“ D 810) folgen lassen – elf Tage brauchte er im Juni 1826 zur Komposition. Doch es geriet ihm nicht zu einem Sommerstück. Vielmehr lässt es einen Unbehausten in „Wind und Wetter“ durch Seelenlandschaften irren, lässt es uns an Verse denken, die er ein Jahr später in seiner „Winterreise“ vertonen sollte.
Schon die ersten beiden Akkorde – ein längerer, vom Piano ins Forte anschwellender in Dur und dann ein kurzer Fortissimo-Schlag in Moll – künden von Schmerz. Und der Ländler, der später vorsichtig seine Stimme erhebt, ist das tieftraurige Tanzen eines Einsamen. Zeigen sich melodische Linien im ersten Satz als gefährdete Erinnerungen oder zaghaftes Wünschen, so hält im Andante – nachdem unter einem Seufzer der Ersten Geige der Vorhang abrupt aufgezogen ist – das Cello seine Sehnsüchte keine Sekunde zurück. Aber auch hier ist ein Grollen hinter dem Horizont immer präsent. Das Scherzo, in dem kreisende Bewegung so wenig ein Ziel findet wie wohl auch sucht, wendet seine Rastlosigkeit im Trio-Mittelteil zu zärtlichem Wiegen – fast scheint es so, als hätte der Enttäuschte, den es gerade eben, im zweiten Satz, „weiter denn, nur weiter“ getrieben hatte, nun doch noch den „Schatten“ gefunden, in dem sich „so mancher süße Traum“ träumen ließe. … Harmonisch ähnlich unentschieden wie im Eingangsallegro, wird der Charakter des Finales einzig und allein zu dem der wilden Hatz zusammengezwungen. Trugbilder scheinen auf und zerfließen beim Näherkommen. Mag sein, dass das Fehlen größerer Ausdrucksgegensätze auch ein nur geringes Maß an vordergründiger Dramatik zu Folge hat; mag sein – wie manche Deutung des Schlusssatzes es sieht –, dass Angst sich zu Trotz gewandelt hat, Nervosität vielleicht sogar zu kapriziösem Spiel, die Wolken verschwunden sind und die Sonne glitzert … Aber auch dies ein Trugbild wohl.
Schubert als Wanderer ist ein oft bemühtes und sicherlich auch zutreffendes Bild – nicht nur seine Lieder sind davon durchzogen, auch seine Klavier- und Kammermusik und seine Sinfonik. Die Schlusszeilen aus „Des Fremdlings Abendlied“ von Georg Philipp Schmidt von Lübeck, das Schubert 1816 als „Der Wanderer“ vertont hatte, klingen wir ein Motto seines Lebens und auch wie ein Motto des G-Dur-Quartetts: „Im Geisterhauch tönt's mir zurück, dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück."
Sayako Kusaka wurde in Ashiya (Japan) geboren, studierte in Tokio bei Takashi Shimizu, in den USA bei Eduard Schmieder sowie in Freiburg im Breisgau bei Rainer Kußmaul. Seit 2008 ist sie als Erste Konzertmeisterin Mitglied im Konzerthausorchester. Sie ist Primaria im Konzerthaus Quartett und Künstlerische Leiterin des Konzerthaus Kammerorchesters. Die Geigerin ist Gewinnerin und Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe (darunter Rodolfo-Lipizer-Violinwettbewerb, Papanini-Wettbewerb, Sibelius-Violinwettbewerb, Michelangelo Abbado International Violin Competition, Idemitsu Music Prize). Als Solistin und Kammermusikern konzertiert sie in Europa, Japan und den USA. Seit 2013 ist sie „Special guest“-Konzertmeisterin des Yomiuri Nippon Symphony Orchestra in Tokio.
1979 in Berlin geboren. Fünfjährig erster Violinunterricht. Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei Werner Scholz. Mit einem DAAD-Stipendium zwei Jahre Studium an der Indiana University in Bloomington, USA, bei Nelli Shkolnikova und Mauricio Fuks. Seit 2003 Schüler von Michael Erxleben, wiederum an der Berliner Musikhochschule. 1. Preis beim internationalen Concerto Competition 1997 in Interlochen, Michigan. Preisträger des Internationalen Violinwettbewerbs Kloster Schöntal 1999. Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Internationalen Musikakademie in Deutschland e.V. Seit 2005 als Konzertmeister der 2. Violinen Mitglied im Konzerthausorchester Berlin.
Die Schweizerin wurde 1978 in Berlin geboren und studierte in Karlsruhe, Berlin, Boston und Salzburg bei Madeline Prager, Kim Kashkashian und Thomas Riebl. Sie gewann unter anderem den Boris-Pergamenschikow-Preis für Kammermusik und den 1. Preis des Internationalen Max-Rostal Wettbewerbs. Amalia Aubert war Solo-Bratschistin der Camerata Salzburg, im Sinfonieorchester Basel und ist seit 2005 in gleicher Position im Konzerthausorchester Berlin. 2015 erhielt sie den Ruf einer Professur in Rostock und unterrichtet jetzt an der Universität der Künste Berlin. Sie trat auf Kammermusikfestivals in Davos, Verbier, Kronberg und Ravinia auf und ist Mitglied des Konzerthaus Quartetts.
1976 in Hamburg geboren. Ausbildung unter anderem bei Bernhard Gmelin (Musikhochschule Hamburg), Hans-Christian Schweiker (Musikhochschule Aachen) und Paul Katz (New England Conservatory, Boston). Mehrfach Erster Bundespreisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ sowie 1998 beim Elise Meyer-Wettbewerb in Hamburg. Meisterkurse bei János Starker, Itzhak Perlman, György Kurtág, Donald Weilerstein und Mitgliedern des Alban-Berg- und Cleveland-Quartett. Von 2000 bis 2008 war Felix Nickel Cellist des Kuss Quartetts, mit dem er 2002 den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs sowie den 1. Preis des internationalen Borciani-Wettbewerbs zuerkannt bekam. Seit Januar 2009 ist Felix Nickel Solo-Cellist im Orchester der Komischen Oper Berlin.