11.00 Uhr
Familienführung
Anfang Oktober war es wieder soweit: Wir haben den aktuellen Jahrgang der Kurt-Sanderling-Akademie fürs Gruppenfoto zusammengetrommelt. Von links nach rechts sind das Umut Sağlam, Susanne Szambelan, Veronika Kolosovska, Phoebe White, Christoph Lindner, Miha Zhu, Yeseul Bahng, Soyeon Park, Daria Tarasova und Goeunsol Heo. Nicht im Bild sind Barok Bostanci, Hans Henning Ernst, Alberto Javier Habas Sabariego und Julia Pałęcka.
Bratscherin Veronika und Geigerin Miha beim Fototermin
Mit Flötistin Yeseul Bahngs Antwort auf die Frage nach ihrem Lieblingsplatz können sich viele identifizieren: Zu Hause! Dort erholt sie sich am Wochenende vom Großstadttrubel, liest und hört Musik. Das e-Moll-Flötenkonzert von Mercadante brachte Yeseul als 12-Jährige zu ihrem Instrument. Ihr heutiges Lieblingstück ist Schuberts einzige Flötenkomposition: Introduktion und Variationen über sein Lied „Trockne Blumen“. Die Oboe und deren Klangfarbe haben es ihr ebenfalls angetan. In einer alternativen Welt wäre die Koreanerin wohl Musiktherapeutin. Auch hier in Berlin isst sie am liebsten Gerichte aus ihrer Heimat Korea.
Weil eine gute Körperhaltung fürs Musizieren sehr wichtig ist, reserviert Bratscher Barok Bostanci vor allem am Wochenende neben dem Üben so viel Zeit wie möglich für Sport, Am liebsten geht er dafür in den Tempelhofer Franckepark. Für sein Instrument hat ihn zunächst ein guter Lehrer am Konservatorium begeistert. Barok ist außerdem E-Gitarren-Fan – da favorisiert er die Gibson Les Paul Traditional. Wäre er kein Bratscher, würde er beruflich am liebsten Streichinstrumente bauen. Sein Lieblingsessen: Shrimps-Kasserolle!
Geiger Hans Henning Ernst geht an Berliner Wochenenden oft in Ausstellungen, von Antike bis zeitgenössische Fotografie. Ein Lieblingsplatz ist das alte Funkhaus Nalepastraße. Als Dreijähriger war er von „einem Open-Air-Konzert mit Suiten von Händel und opulentem Feuerwerk so euphorisiert“, dass er zunächst Trompete lernen wollte. Heute wünscht sich der Geiger, „so gut Klavier zu spielen, dass ich große Partituren vom Blatt spielen könnte“. In einer anderen Welt wäre Hans vielleicht Journalist, Stadtplaner oder würde zu evolutionärer Anthropologie forschen. Zur aktuellen Jahreszeit liebt der Rostocker Nudelsuppen, außerdem Fisch und „alles mit Stampfkartoffeln und grünen Bohnen“.
Bratscherin Veronika Kolosovska ist erst seit kurzer Zeit aus Kyiv nach Berlin gekommen und braucht noch Zeit, um Lieblingsorte zu entdecken: „Vielleicht werden das die Museumsinsel, die Seen rund um Potsdam und der Wannsee. Gerade lerne ich hier neue Museen und Orte kennen, an denen man gut essen kann.“ Sie hat von klein auf Geige gespielt, aber dann lernte sie ihren Bratschenprofessor und damit „the awesomeness of viola life“ kennen. Von den anderen Instrumenten hat sie das Cello besonders gern: „Es hat so eine schöne Stimme!“ Wäre Veronika keine Musikerin, wären Ökoaktivismus und nachhaltige Entwicklung für sie beruflich interessant. Am liebsten ißt sie Borschtsch.
Cellistin Susanne Szambelan ist in New York geboren und in Polen aufgewachsen. Sie bummelt gern über Berliner Flohmärkte und durch das Galerienviertel an der Auguststraße in Mitte. Wäre sie nicht Musikerin geworden, hätte sie sich auch ein Leben als professionelle Tänzerin vorstellen können. Zwei Instrumente, die unterschiedlicher nicht sein könnten, fallen ihr als Alternativen zum Cello ein: Die vielsaitige, zart klingende Viola da Gamba oder die Trompete! Susannes Lieblingsessen: Pasta al limone.
Schlagzeuger Christoph Lindner ist in seiner Freizeit sportlich unterwegs: Beachvolleyball, Fußball, Joggen. Das kann er sehr gut an seinem Lieblingsort in der Stadt, dem Tiergarten. Über sein Instrument erzählt er: „Als ich 7 war, fand ich Drumset sehr cool und wollte es gerne lernen. Später habe ich dann jemanden Marimba spielen sehen und war von dem Klang so fasziniert, dass ich wiederum das gerne beherrschen wollte. So bin ich Stück für Stück zum klassischen Orchester-Schlagzeug gekommen.“ Bei Christophs Lieblingskomponist Dmitri Schostakowitsch hat das Schlagwerk oft ordenlich zu tun. Er könnte sich übrigens auch vorstellen, Posaune zu spielen. Wäre der Berliner kein Musiker, würde er als Mathe- und Sportlehrer vor einer Klasse oder auf dem Sportplatz stehen. Während Sammeln bei vielen ein Hobby ist, sind Schlagzeuger sozusagen dazu verpflichtet: Christoph hat sehr, sehr viele Schlägel. Ach, und sein Lieblingsessen ist Spinatlasagne!
Geigerin Daria Tarasova ist auf der Krim geboren und hat in Kyiv studiert. An Wochenenden erkundet sie das für sie neue Berlin zu Fuß: „Überall weht die Flagge meines Landes. In dieser nicht einfachen Zeit spüren wir in der deutschen Hauptstadt mehr denn je eine große Unterstützung.“ Ein Lieblingsort ist der Berliner Dom: „Als ich ihn das erste Mal sah, war ich von der Architektur fasziniert.“ Nachdem eine Klavierlehrerin sie als Kind durch die Lautstärke ihres Spiels verschreckt hatte, lernte sie lieber Geige. Aber „mit der Zeit habe ich gemerkt, wie schön Klavier ist und würde es gern spielen können“. Besonders gern mag Daria Musik der Impressionisten – Ravel, Debussy und Saint-Saëns gehören zu ihren Lieblingskomponisten.
Kontrabassist Alberto Javier Habas Sabariego teilt seine Wochenenden zwischen (natürlich) üben und Treffen mit Freunden, zum Beispiel im Mauerpark. Als Achtjähriger begann er mit Kontrabass, Beethoven und Wagner spielt er besonders gern. Und was wäre Alberto, wenn nicht Musiker? „Fußballer, wenn möglich!“ Sehr spanisch ist sein Lieblingsessen: Kartoffelomelette mit Salmorejo – einer Suppenspezialiät aus seiner Heimatstadt Córdoba – und Serranoschinken.
Cellistin Goeunsol Heo erkundet in ihrer Freizeit Berlins schöne Parks. Eine Kraftquelle ist die Museumsinsel – an besuchte Ausstellungen erinnert sie ihre Ticketsammlung. Die Wärme des Cellotons hat sie schon als Kind fasziniert – „Bei Geige habe ich damals das Radio ausgeschaltet!“ Sie schätzt Ravel und könnte gern Jazzklavier spielen. Wäre sie keine Musikerin, würde sie vielleicht in einem Verlag arbeiten und Bücher herausgeben. Goeunsol backt gern und liebt koreanisches Essen.
Schnappschuss vom Highlight zum Jahreswechsel für die Akademie-Celli: Daniel Müller-Schott (rechts) spielte nicht nur im Silvester- und Neujahrskonzert mit uns Tschaikowskys Rokoko-Variationen, sondern gab Geounsol, Umut und Susanne am 30. Dezember außerdem eine Meisterklasse.
Ein entspanntes Wochenende beginnt für Kontrabassistin Soyeon Park mit Joggen im Großen Tiergarten. Eine ausgiebige Pause im Café gehört ebenfalls dazu. Als Kind wollte die Südkoreanerin gern Posaune spielen. In der Grundschule sah sie zum ersten Mal einen Kontrabass und verliebte sich in dessen Klang. Ihr Lieblingskomponist ist Beethoven – vielleicht auch wegen des stürmischen Solos der Kontrabässe im Gewitter der „Pastorale“?
Soyeon in einer Probe mit Chefdirigent Christoph Eschenbach im Mai 2022
Bratscherin Julia Pałęcka geht gern ins Teehaus Dosha, um Freunde zu treffen. Im Schulorchester wurde die Geigerin zur Teilzeitbratsche, nach 5 Jahren wechselte sie ganz zur Viola. Sie hört besonders gern Prokofjew und Enescu. Klarinette und Posaune wären Alternativinstrumente – außerdem würde die theaterbegeisterte Polin gern eine Bühne leiten. Sie sammelt Fotos und ist ein Foodie mit vielen Lieblingsgerichten: „Mapo Tofu, Spaghettieis, Bun bo nam bo und alles mit Rüben!“
Ein Fleckchen Grün, ein Kaffee, ein Buch – und Cellist Umut Sağlam ist glücklich. Ein Sommersonnenuntergang über der Admiralsbrücke oder im Gleisdreieck-Park ist für ihn der perfekte Berlin-Moment. Insbesondere schätzt er Bach, Beethoven und Schostakowitsch, interessiert sich außerdem für türkische und skandinavische Folkmusik. Der Klang des armenischen Blasinstruments Duduk und die nordische Taglharpa haben es ihm besonders angetan. Als Kind wollte Umut Koch zu werden – „Manchmal träume ich noch von dem kleinen Café, wo ich gutes Essen serviere.“ Der Musiker aus Ankara sammelt Bierdeckel, liebt jede Art Kebab, Gerichte auf Olivenölbasis und „vor allem“ Smash Cheeseburger.
Umut in einem Konzert mit Chefdirigent Eschenbach im November 2021
Wenn Geigerin Phoebe White mal ein Wochenende frei hat, tanzt sie gern in Berliner Clubs. Zum ihrem Instrument kam sie durch ihre ältere Schwester. Die spielte schon Geige, als Phoebe auf die Welt kam. „Ich war vollkommen fasziniert, wenn sie geübt hat und habe irgendwann begonnen, sie nachzuahmen.“ Reizvolle Berufsalternativen hätte die Irin aus Dublin in anderen Kunstsparten gefunden – als Malerin oder Filmemacherin.
Ob sie neues Streetfood im Wilmersdorfer Thaipark probiert oder sich auf der Museumsinsel inspirieren lässt – Geigerin Miha Zhu weiß, wo es in ihrer Heimatstadt Berlin besonders schön ist. Dazu gehören für sie auch deren Gewässer, die sie schwimmend oder mit Freunden per Boot erkundet. Seit sie sehr jung „froh und aufgeregt“ seine meisterhaften Sonaten und Partiten zu spielen begann, liebt sie Bach.
Fotos: Pablo Castagnola (Titel; Veronika und Miha; Veronika; Christoph; Miha); Markus Werner (Soyeon) Marco Borggreve (Umut)