Instrument des Monats Oboe – Ganz schön viel Handarbeit

von Annette Zerpner 31. März 2023

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Die Oboe ist Instrument des Monats April. Wer sie spielt, muss nicht nur üben, üben, üben, sondern auch dritteln, kürzen, hobeln, schaben und vieles mehr. Wir haben Solo-Oboistin Michaela Kuntz zu ihrem Instrument ausgefragt.

Steckt hinter Deiner Oboenkarriere eine Blockflötenvergangenheit?

Als ich drei Jahre alt war, fing mein Vater an, mich auf der Sopranino-Blockflöte zu unterrichten. Als 5- oder 6-Jährige habe ich vor Wettbewerben 3 Stunden am Tag geübt. Auf meiner kleinen Flöte kann man die Abdrücke meiner Milchzähne noch sehen, denn ich habe schon mal aus Wut ins Holz gebissen, wenn ich eine Stelle ständig wiederholen musste (lacht).

Diese Grunddisziplin beim Üben hat mir allerdings sehr für später geholfen. Als ich etwa 9 Jahre alt war, legte mir mein Vater eines Tages eine Oboe und eine Querflöte auf den Tisch. Ich sollte beide Instrumente ausprobieren und mich dann für eines entscheiden. Obwohl ich bei der Oboe auf einmal durch ein Blasrohr spielen musste, entschied ich mich sofort für die Oboe, denn ich mochte ihren Ton. Meine Eltern haben mich immer gefördert, aber dass ich hauptberuflich Musikerin werde, war mein alleiniger Wunsch.

Hast Du damals schon deine „Rohre“, also die Doppelrohrblätter, selber gebaut?

Meine Mutter hat sich von meiner ersten Oboenlehrerin tatsächlich zeigen lassen, wie sie Rohre für mich bauen kann. Ich kam meistens gut zurecht auf ihren Rohren – wenn nicht, hab’ ich die einfach umgeknickt. Das hat sie natürlich getroffen. So richtig wertgeschätzt habe ich die Rohrbauarbeit erst, als ich selber damit angefangen habe (lacht), – da habe ich es verstanden, wieviel Zeit und Mühe hinter so einem Rohr steckt

Im Gegensatz zu Horn oder Trompete sind die „Mundstücke“ der Oboe Verschleißteile und müssen aus Schilfrohr immer wieder neu gebaut werden. Was braucht man außer einem umfangreichen Werkzeugkasten noch?

Geschicklichkeit und eine gewisse feinmotorische Begabung, würde ich sagen. Und Frustrationstoleranz, denn das Ausgangsmaterial ist ein Naturprodukt und damit immer wieder anders. Selbst wenn man die einzelnen Schritte technisch beherrscht, kann es sein, dass das, was aussieht wie ein Rohr, nicht so klingt. Man kann zwar Rohre in verschiedenen Fertigungsschritten kaufen und den Prozess abkürzen. Ich mache immer alles selber und baue inzwischen sogar in Albanien eigenes Schilfrohr an. Es muss allerdings noch 2 Jahre reifen, bevor ich damit arbeite.

Gibt es etwas, das euch das Leben leichter macht?

Mittlerweile gibt es tatsächlich einige Entwicklungen, die uns den Rohrbau erleichtern: Zum Beispiel Hobelmaschinen, mit denen man die Bahn eines Rohres auf einem ziemlich hohen Niveau hobeln kann.

Auch gibt es inzwischen eine neue Entwicklung in Sachen Plastikrohre. Die sind zum Beispiel fürs Techniküben praktisch, wenn man seine guten Rohre schonen will. Viele von uns haben so eines als Notnagel im Rohretui. Aber ich komme nur bedingt damit zurecht, denn ein Naturprodukt, wie das Schilfrohr, kann man viel individueller bearbeiten und es schwingt viel natürlicher. Jeder Oboist baut seine Rohre für seinen Ansatz und seine Anatomie. Das Klangbild jedes Oboisten ist unterschiedlich, aber all das steckt in den 10 oder 11 mm dieser geschabten Bahn des Rohrs. Auf viele äußere Einflüsse, wie Luftfeuchtigkeit oder Luftdruck, reagiert das Rohr außerdem sehr empfindlich und muss gegebenenfalls nachbearbeitet werden.

Noch eine gute Idee: Idealklima für Oboenrohre. Ein Blick auf das Messgerät verrät, ob die Feuchtigkeit im Kästchen stimmt. Ist die Luft zu trocken, befeuchtet man den Schwamm.

Braucht man für die Oboe mehr Luft als für andere Holzblasintrumente?

Wir Oboisten brauchen gar nicht so viel Luft wie zum Beispiel Flötisten. Wir haben eher das Problem, dass wir die eingeatmete Luft nicht so einfach wieder los bekommen: Die zwei schmalen, gegeneinander schwingenden Rohrblätter mit ihrer kleinen Öffnung machen Oboisten das Leben schwerer als anderen Holzbläsern. Dadurch, dass die Öffnung des Rohres nur ganz schmal ist, staut sich die verbrauchte Luft, das Kohlendioxid. Deshalb haben wir eher einen roten Kopf als die Flötisten. Es ist von Anfang an wichtig, eine gute Atemtechnik und das sogenannte „Abatmen“ zu lernen – nur so kann man ohne Probleme lange Phrasen spielen.

Wichtig: Abatmen nicht vergessen! Das Oboenrohr ist besonders schmal, deswegen bleibt sonst zuviel Luft in der Lunge. Ein roter Kopf bedeutet also keine Luftnot.

Streicher*innen sind oft besonders glücklich, wenn sie ein mehrere hundert Jahre altes Instrument spielen können. Wie ist das bei euch?

Eine Oboe ist schon nach etwa sechs Jahren „ausgespielt“, und man sollte sich nach diesem Zeitraum eine neue Oboe kaufen. Bei Oboen hat man es mit einem schleichenden Klang- und Intonationsverlust zu tun. Und wenn der notwendige Widerstand, den man für einen schönen Klang braucht, nicht mehr im Instrument steckt, muss man ihn in die Rohre hineinbauen. Die werden dann wiederum schwerer und rauben einem unnötig Kraft und Mühe.

Woran liegt es, dass Oboen derart empfindliche Instrumente sind?

Ihr Holz unterliegt mit der schwankenden Luftfeuchtigkeit ständiger Veränderung. Innen im Instrument wird das Holz durch den Atem warm und feucht, außen beeinflusst die Saalatmosphäre das Holz – zum Beispiel macht eine Klimaanlage die Luft kalt und trocken. Die Spannung im Holz, die bei der Oboe im Vergleich zu allen anderen Instrumenten wegen der vielen Mechanik ohnehin sehr groß ist, unterliegt also auch zusätzlich Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Da kann es besonders bei neuen Oboen vorkommen, dass das Holz reißt.

Ich habe noch nie gehört, dass ein Fagott oder eine Klarinette gerissen ist. Bei uns Oboisten ist das bestimmt jedem Musiker mal passiert.

Dir auch?

Mir ist einmal eine neue Oboe mitten im Konzert in einem Tutti fast am Ende einer Sinfonie gerissen. Da hatte ich 9 Takte frei und danach noch ein leises hohes Solo zu spielen. Es kam nur Gefiepe! Dann sitzt man da mit rotem Kopf und geht danach sofort zum Oboenreparateur. Selbst wenn man vorher alles ganz genau überprüft hat – ein Restrisiko bleibt

Fotos: Tobias Kruse/OSTKREUZ (Titel); privat

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