Fünf Fragen an Iván Fischer

von Konzerthaus Berlin 10. Oktober 2024

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Iván Fischer © Marco Borggreve

Mozarts „Zauberflöte ist ein Meisterwerk des 18. Jahrhunderts, das damalige Moralvorstellungen im Hinblick auf Rollenbilder von Mann und Frau widerspiegelt. Iván Fischer möchte Teile dieser Lieblingsoper mit Werten des 21. Jahrhunderts konfrontieren. Er konzentriert sich dabei auf bekannte Arien und Szenen: Umgedrehte Geschlechterrollen zentraler Figuren laden ebenso zu einem unerwarteten neuen Hörerlebnis wie zur Reflexion ein. So tritt Countertenor Samuel Mariño als König der Nacht gegen Gerhild Rombergers Sarastra an. Aber Iván Fischer spielt auch mit der Musik selbst, wenn er etwa die berühmte Ouvertüre nicht nur vom Konzerthausorchester musizieren, sondern auch vom Vocalconsort Berlin singen lässt. 

Wir haben ihn zu diesem Ansatz ein paar Fragen gestellt.

Was war die Initialzündung für Ihre Konfrontation der „Zauberflöte“ mit Werten des 21. Jahrhunderts?

Sarastro singt: „Ein Mann muss eure Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten“, und der Sprecher: „Ein Weib tut wenig, plaudert viel, du Jüngling glaubst dem Zungenspiel?“ Da denke ich bei jeder Aufführung: Ja, das war die Moral des 18. Jahrhunderts. Wir fegen das Problem unter den Teppich, sollten wir nicht einmal nachdenken und die beliebte Zauberflöte ehrlich mit Moralvorstellungen des 21. Jahrhunderts konfrontieren? 

Welche Art von Einwänden gegen Ihre Herangehensweise würden Sie in einem Streitgespräch erwarten?

Einige werden meinen, von so einem grossen Meisterwerk soll man die Finger lassen. Sie haben recht, meistens führe ich die „Zauberflöte“ mit Hochachtung und ohne Veränderungen auf. Das ist jetzt eine Ausnahme. Andere Kritiker könnten meinen, dass ich mich über Feminismus und die Austauschbarkeit der Geschlechter lustig mache. Das es ein wenig wie eine Parodie unserer Zeit wirkt. Das wäre schade, ich möchte nur eine Anregung zum Nachdenken bieten und eine Diskussion initiieren.
 

Könnten Sie sich vorstellen, nicht nur Ausschnitte, sondern die gesamte Oper so auf die Bühne zu bringen?

Vielleicht ja, aber wozu? Diese Ausschnitte reichen, um nachzudenken.

Welche besonderen musikalischen Herausforderungen entstehen durch Umbesetzung der Rollen?

Die Königin der Nacht singt in einer sehr hohen Lage. Mit einem Countertenor schafft man das nicht, aber es ist wunderbar, dass Samuel Marino die Arie einen Ton tiefer singen kann.

Welche Oper würden Sie am liebsten auch noch mit unserer Zeit konfrontieren?

Es gibt viele Opern, in denen eine veraltete Moral zu hören ist. Zu ihnen gehört „Parsifal“ mit der Figur der Kundry als weiblicher Form des Ahasver oder „Ewigen Juden“. Diese antisemitische Fabrikation aus einer falschen Mittelalterlegende wurde von Wagner benutzt und später von den Nazis für ihre antisemitische Ideologie missbraucht. Oder „Così fan tutte“, in der bewiesen werden soll, dass man alle Frauen verführen kann!

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