Hélène Grimaud & Camerata Salzburg

By Christoph Eder June 7, 2024

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Inhalt

Camerata Salzburg
Giovanni Guzzo Leitung
Hélène Grimaud Klavier

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Ouvertüre zu Collins Trauerspiel „Coriolan“ op. 62
Allegro con brio

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847)
Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11
Allegro di molto
Andante
Menuetto. Allegro molto
Allegro con fuoco


PAUSE

 

Robert Schumann (1810 – 1856)
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54
Allegro affettuoso
Intermezzo. Andantino grazioso, attacca:
Allegro vivace

 

In Zusammenarbeit mit der Konzertdirektion Goette

Unter Freunden

„Aus jedem Ton und jeder Phrase spricht ein Gefühl echter Freundschaft“ - so beschreibt Konzertmeister Giovanni Guzzo voller Enthusiasmus die besondere Atmosphäre innerhalb der Camerata Salzburg. Die Mitglieder des österreichischen Kammerorchesters entfalten ganz ohne Dirigent oder Dirigentin in einer Atmosphäre kollegialen Vertrauens Interpretationen voller Spontanität und Lebendigkeit.

Diese Intensität können wir heute Abend von Anfang an erleben, denn das Programm beginnt mit einem energetischen Zweiklang: Auf die tragischen Zuspitzungen von Beethovens Coriolan-Ouvertüre folgt der Sturm und Drang von Mendelssohns Erster Sinfonie, die mit dem mitreißenden Überschwang eines Jugendwerks begeistert. Nach diesem rein orchestralen Beginn gesellt sich Hélène Grimaud dazu und begibt sich gemeinsam mit den Mitgliedern der Camerata in die romantischen Klangwelten von Robert Schumanns Klavierkonzert. Aus der ebenso freundschaftlichen wie fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen der französischen Pianistin und der Camerata entstanden bereits zwei Aufnahmen für die Deutsche Grammophon, und auch Grimaud spricht begeistert von einem Musizieren im Geiste freundschaftlichen Vertrauens, von dem Gefühl, auf den Flügeln der Kolleginnen und Kollegen mitzureisen. Seien auch Sie heute Abend herzlich dazu eingeladen!

Auftakt mit Überfall

Beethovens Ouvertüre zu „Coriolan“

Es gibt nur wenige Stücke, die zum Synonym für ein ganzes Genre aufsteigen, aber Beethovens Fünfte Sinfonie gehört sicher dazu. Das eröffnende „Ta-ta-ta-taaa!“ begegnet uns längst nicht mehr nur im Konzertsaal, sondern hat es bis auf die T-Shirts von Klassikfans geschafft und generell Einzug in die Popkultur gehalten. Neben der Omnipräsenz dieses legendären Anfangs kann man leicht übersehen, dass sich Beethoven für seine Schauspielouvertüre zu „Coriolan“ eine weitere Eröffnung in c-Moll einfallen ließ, die ihr berühmteres Gegenstück an Dramatik noch weit übertrifft. Zum Zerreißen gespannt erklingt im tiefen Register der Streicher drei Mal der Grundton und wird jedes Mal von einem gellenden Akkord des gesamten Orchesters abgerissen. Die Pausen zwischen diesen wilden Gesten sind essentieller Bestandteil eines überwältigenden Anfangs, mit dem uns das Orchester förmlich anspringt – ein Überfall als Auftakt!

Was Beethoven zu dem tragischen Charakterstück inspirierte, war die Figur eines sagenumwobenen römischen Feldherren: Gnaeus Marcius, Beiname „Coriolanus“. Die Geschichte dieses Mannes, der auf Grund politischer Auseinandersetzungen innerhalb der römischen Republik schließlich zum Feind überlief und daraufhin gegen seine eigene Heimatstadt zu Felde zog, ist von der Forschung inzwischen als antike Mythenbildung enttarnt worden. Das macht die Erzählung aber nicht weniger spannend, und so wurde sie gleich mehrfach für die Bühne bearbeitet, unter anderem von William Shakespeare. Beethoven allerdings bezog sich auf eine damals neue Adaption des österreichischen Dichters Heinrich Joseph von Collin, der sich für das Finale seines Fünfakters eine dramatische Wendung einfallen ließ: Der zerrissene Titelheld entflieht inneren wie äußeren Kämpfen, indem er sich als Grande Finale in sein eigenes Schwert stürzt. Harter Tobak, den Beethoven in ein Stück übertrug, das uns mit einer Aura quälender Instabilität in Atem hält.

Nach dem dreifachen Ausrufezeichen des Beginns wirkt das leise einsetzende Hauptthema wie ein Porträt der Atemlosigkeit -  mehr ein Zustand motorischer Unruhe als ein Thema im eigentlichen Sinne. Ein melodiöser Seitengedanke bringt einen kurzen Moment der Aufhellung, doch die unablässige Bewegung der Begleitstimmen verrät uns, dass es sich bei diesem Lichtblick nur um einen flüchtigen Wunschtraum handeln kann. Die scharfen Akzente des Beginns macht Beethoven zum eigentlichen Motto der Ouvertüre: Sie können jederzeit und von überall her wiederkehren, sodass das Orchester von dem dramatischen Geschehen wie hin und her geworfen scheint. Nach einer letzten Zuspitzung demontiert Beethoven die Bewegung des Hauptthemas und lässt das Ende in Resignation versinken. Die drei Fortissimoschläge hatte er im Verlauf schon mehrfach wieder aufgegriffen und verwandelt sie nun in eine abschließende Geste des Scheiterns: drei gezupfte Töne der Bässe fallen wie ein leiser Vorhang über die aufgewühlte Szene.

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Auf der Suche

Felix Mendelssohn Bartholdys Erste Sinfonie

Das zweite Stück des Abends bildet mit der „Coriolan“-Ouvertüre in doppelter Hinsicht eine Einheit, denn neben der Tonart c-Moll teilen beide auch den Hang zu tumultuösen Gemütszuständen. Voller Feuer platzt bei Mendelsohn der erste Satz heraus und vermittelt sogleich ein Gefühl jugendlicher Dringlichkeit, das uns im Verlauf des Stückes immer wieder begegnen wird und seinen Reiz ausmacht. Zunächst erfüllte das Werk seinen gerade mal fünfzehnjährigen Komponisten mit einigem Stolz: Nachdem er seine Fertigkeiten schon an 12 Sinfonien für Streichorchester geschult hatte, komponierte er jetzt zum ersten Mal für den großen romantischen Klangkörper mit Bläsern und Pauke und befand das Werk für würdig, als seine erste „echte“ Sinfonie der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.

Während die erste Aufführung vermutlich noch im Jahr der Entstehung 1824 als Teil eines privaten Geburtstagskonzerts für Mendelssohns geliebte Schwester Fanny stattfand, erklang das Stück drei Jahre später dann im Leipziger Gewandhaus. Diese öffentliche Erstaufführung erntete zwar begeisterte Kritiken, aber Mendelssohn war von den Qualitäten seiner Ersten schon bald nicht mehr wirklich überzeugt. 1835 ersuchte er eine Bekannte sogar brieflich, eine geplante Wiederaufführung zu verhindern oder im Vorfeld des Konzerts zumindest wo immer möglich die Information zu streuen, dass es sich bei der Sinfonie um nichts mehr als eine Jugendsünde handele. Mendelssohn erklärt: „Es wäre mir lieb, wenn das im Publikum vor der Aufführung bekannt würde (…), weil mir das Stück wirklich kindisch vorkommt.“ Dieses harte Urteil spricht Bände über Mendelssohns außerordentlich harte Selbstkritik, der kaum etwas standhalten konnte – schon gar kein heißblütiges Jugendwerk.

Was mag Mendelssohn an der Musik seiner Ersten im Rückblick wohl so kindisch vorgekommen sein? Bei genauerem Hinsehen fällt die Durchmischung romantischer und klassischer Stilelemente auf. Im zarten Andante und dem anschließenden Menuetto scheinen wir uns manchmal noch in der Ausdruckswelt Mozarts zu befinden. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der junge Komponist in einigen Momenten noch nicht ganz bei seinem eigenen Stil angekommen ist und deswegen auf die gekonnte Nachahmung großer Vorbilder zurückgreift. Doch die Suche nach solchen Anleihen mehr oder weniger expliziter Natur ist wenig zielführend – wir alle lernen schließlich durch Nachahmung, und was Mendelssohn an anderer Stelle abgelauscht haben mag, hat er zumindest mit sicherem Handwerk nachkomponiert.

Apropos Handwerk – davon sollte nach der Idealvorstellung des selbstkritischen Komponisten jede Spur beseitigt werden, bevor etwas als fertig bezeichnet werden durfte. Die vielen harten Stunden der Detailarbeit am Ende in einem Ganzen von inspirierter Geschlossenheit und beiläufiger Perfektion aufgehen zu lassen, war das Ziel, dem er nacheiferte. Oft hielt Mendelssohn ein neues Werk so lange unter Verschluss, bis er nach vielen Korrekturrunden alle Spuren der kompositorischen Arbeit davon abgeschliffen hatte. Neudeutsch würde man das wohl als Understatement bezeichnen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wie kritisch er später auf seine Idee geschaut haben muss, im Finale der Ersten mit einer plötzlich einsetzenden, fugierten Passage seine kontrapunktischen Fähigkeiten vorzuführen. Oder den nicht weniger überraschenden Schluss, der mit seiner demonstrativen Heiterkeit ein wenig erzwungen scheint. Solche Details wirkten in Mendelssohns Rückschau sicher etwas naiv und ungeschickt, aber zum Glück müssen wir uns sein strenges Urteil nicht zu eigen machen. Öffnen wir stattdessen unsere Ohren für die Begegnung mit einem Stück, das durch seine Ecken und Kanten umso spannender wird und uns einen jungen Komponisten auf der Suche nach seinem eigenen Weg zeigt.

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Dauerbrenner mit Startschwierigkeiten

Schumanns Klavierkonzert

„Das Clavier ist auf das feinste mit dem Orchester verwebt – man kann sich das Eine nicht denken ohne das Andere.“ Dieses begeisterte Urteil fällt Clara Schumann, nachdem sie am 13. August 1841 in einer Probe mit dem Leipziger Gewandhausorchester ein brandneues Werk ihres Robert ausprobiert hat, nämlich seine Fantasie für Klavier und Orchester. Das Stück ist in einer Zeit der privaten und künstlerischen Durchbrüche entstanden: Vor Gericht kann das Paar nach jahrelangem Streit mit Claras Vater sein Recht auf Eheschließung durchsetzen und Robert erschließt mit großer Geschwindigkeit neue Genres, nachdem er mehr als zehn Jahre lang ausschließlich solistische Werke für das Klavier veröffentlicht hatte. Die Fantasie komponiert er im Windschatten seiner Ersten Sinfonie, die Anfang 1841 nur so aus ihm herausgesprudelt ist und Schumann dank einer sehr erfolgreichen Uraufführung nur wenige Wochen später als Schöpfer großer Orchesterwerke etabliert. Aber während der Knoten im sinfonischen Bereich zerschlagen ist, drohen sich die Dinge bei der Fantasie zu verhaken. Der Knackpunkt: Das ungewöhnliche Format.

Claras Äußerung verweist bereits auf die besondere Textur des Stücks, in dem Schumann Solopart und Orchester auf neuartige Weise verbindet. Das ist zwar meisterhaft geglückt, widerspricht aber leider auch den zeitgenössischen Erwartungen an ein Klavierkonzert. Denn gesucht werden von Verlegern keine Formexperimente und tiefgründigen Stimmungsbilder, sondern effektvolle Virtuosenstücke in den gewohnten drei Sätzen, die die Ohren des Publikums nicht mit zu viel Neuigkeiten herausfordern. Ein Konzert in einem Satz, das Elemente von strenger Sonatenform und freier Fantasie verschmilzt und dem Klavier trotz großer technischer Herausforderungen kaum Gelegenheit zum Ausbreiten pianistischen Bombasts gibt, ist schlicht zu viel des Guten.

Auch nach mehreren Umarbeitungen und trotz intensiver Bemühungen findet Schumann keinen Abnehmer. Die Lösung liegt auf der Hand: Das Ungewohnte in ein konventionelleres Ganzes integrieren. Und so fügt Schumann 1845 ein zartes Intermezzo und ein virtuoses Finale hinzu und widmet die Fantasie zum Eröffnungssatz des uns bekannten Klavierkonzerts um. Was er damit schuf, ist ein absoluter Dauerbrenner des Konzertrepertoires, der trotz seiner verwickelten Entstehungsgeschichte wunderbar ausgewogen wirkt und nichts mehr von den einstigen Startschwierigkeiten verrät.

Mit einer eigenen Konzertreihe und als Stammensemble der Salzburger Festspiele und der Mozartwoche prägt das Orchester die Musikstadt. Als ihr Kulturbotschafter ist es zudem auf den großen internationalen Konzertpodien regelmäßiger Gast. Das Orchester mit seinen aktuell aus mehr als 20 Nationen stammenden Musiker:innen steht mit seinem Klang besonders für die Wiener Klassik, spannt das Repertoire aber vom Barock bis in die Moderne. 1952 gründete der in Salzburg wirkende Wiener Dirigent und Musikwissenschaftler Bernhard Paumgartner die Camerata Academica als Klangkörper von Lehrenden und Studierenden des Mozarteums. Größten Einfluss auf die Entwicklung des Ensembles hatte Sándor Végh als Chefdirigent von 1978 bis 1997. Auf ihn folgten Sir Roger Norrington, Leonidas Kavakos und Louis Langrée. 2016 beschloss das Orchester, die Führung in die eigenen Hände zu nehmen jnd spielt seither unter der künstlerischen Leitung der Konzertmeister Gregory Ahss und Giovanni Guzzo sowie je nach Repertoire in Zusammenarbeit mit bekannten Gastdirigent:innen. Eine besonders enge Zusammenarbeit verbindet die Camerata mit Hélène Grimaud und Janine Jansen; in der kommenden Saison sind zudem Künstler:innen wie Lisa Batiashvili, Mao Fujita, Sheku Kanneh-Mason, Fazıl Say, Dorothee Oberlinger und Richard Galliano zu Gast. Ein besonderes Augenmerk legt die Camerata auf Nachwuchsentwicklung und Musikvermittlungsarbeit. Die jüngsten CD-Einspielungen mit der künstlerischen Partnerin Hélène Grimaud, erschienen bei der Deutschen Grammophon, sind „The Messenger“ (2020) mit Werken von Mozart und Valentin Silvestrov sowie live aus der Elbphilharmonie das Klavierkonzert von Robert Schumann (2022). Eine Einspielung mit Werken von Robert Schumann mit dem Cellisten Kian Soltani erscheint in diesem Sommer bei der Deutschen Grammophon.

Giovanni Guzzo ist seit 2021 Konzertmeister der Camerata. In seiner Heimat Venezuela begann er früh mit dem Klavier- und Violinspiel und erhielt – gefördert von dem französischen Virtuosen Maurice Hasson – ein Stipendium zum Studium an der Royal Academy of Music in London, das er mit den höchsten Auszeichnungen abschloss. Seit  2022 hat er eine Professur an der Kunstuniversität Graz inne. Giovanni Guzzo konzertiert weltweit als Solist, Kammermusiker, Konzertmeister und Dirigent. Seine CD-Einspielung der kompletten Solo­sonaten von Ysaÿe wurde von der Fachpresse hoch gelobt. Der Künstler spielt eine Violine von Gennaro Gagliano aus dem Jahre 1759.

Hélène Grimaud ist leidenschaftliche Pianistin, engagierte Naturschützerin und Menschenrechtlerin sowie Buchautorin. Seit 2002 Exklusivkünstlerin der Deutschen Grammophon, haben ihre Aufnahmen begeisterte Kritiken und zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Hélène Grimaud studierte in ihrer Heimatstadt Aix-en-Provence, in Marseille, am Pariser Conservatoire sowie bei György Sándor und Leon Fleisher. 1987 gab sie ihr erfolgreiches erstes Recital in Tokio und konzertierte mit dem Orchestre de Paris unter Daniel Barenboim. Seither haben sie umjubelte Soloabende, Auftritte mit den renommiertesten Orchestern und Dirigenten sowie als Kammermusikerin um den ganzen Erdball geführt. Ihre umfangreiche Diskographie nennt als jüngere Aufnahmen die Alben „Memory“ (Werke von Chopin, Debussy, Satie und Silvestrov), „The Messenger“ mit der Camerata Salzburg (Silvestrov und Mozart), „Silent Songs“ mit dem Bariton Konstantin Krimmel (Silvestrov), „For Clara“ (Schumann und Brahms) sowie Schumanns Klavierkonzert mit der Camerata Salzburg.

Ihre zufällige Begegnung mit einem Wolf in Nordflorida führte zu dem Entschluss, ein Zentrum für Umwelterziehung ins Leben zu rufen, zudem ist sie Mitglied der Organisation „Musicians for Human Rights“. Bisher sind drei Bücher von ihr erschienen. Hélène Grimauds außerordentlicher Beitrag zur Welt der klassischen Musik wurde von der französischen Regierung durch die Aufnahme in die Ehrenlegion im Rang eines Ritters gewürdigt.

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